Green Career

Es liegt etwas angenehm Erloschenes in diesem Blick, eine freudvolle Hingabe an die Endlichkeit und ans Vergehen. In seinen fältchenumkränzten Augen liegt der trübe Glanz desjenigen, der alles hatte und nichts mehr will. Das Denken hat er sich, wie alle Laster, abgewöhnt, graue Löckchen tanzen um die leere Stirn. Eine graue Latzhose schlottert ums hagere Gerippe; ein Kokon, in welchem sich einst ein junger Mann verpuppte, um ihm als strahlender Senior zu entsteigen. Hinter ihm hektarweise braunes Land; in der Pranke ein Strauß Radieschen, gleich dem Attribut einer chtonischen Gottheit: Hans-Peter, Gott des Ackerbaus, der Nachhaltigkeit und des Dinkel-Crunchys, wird mit einem kleinen Bund Radieschen und leichtem Silberblick dargestellt. So lacht der Alnatura-Mann von den Plakaten, die der Bio-Supermarkt aufhängt, um seine regionalen Erzeuger vorzustellen, und es ist gar zu schön, weil der Landmann so studienrätisch überlegen grient wie die Kundschaft selbst. Er ist nicht der Bauerntölpel von ehedem, der zwischen Saat und Sodomie kaum Zeit zur Pflege seines Alkoholismus fand. Nein, der Alnatura-Mann ist unser, der ganze Habitus urban: Womöglich ein Aussteiger, der Kanzlei oder Praxis Adieu sagte und nun noch ein paar welke Blätter aus der Krume hebt, bevor er selbst zu Erde wird; noch im Vergehen sich verschenkend, unermüdlich wühlend, um sich in Blumen, Beeren, kleine gemischte Salate zu verwandeln. Es ist die Apotheose der Landlust-Theologie: »Diese Marmelade ist nicht im Handel erhältlich, kann aber über ein Ehepaar im Fränkischen bezogen werden.« Eine Theologie des Inzests, ein eigener mythologischer Kreislauf: Anwalt erntet für Anwalt, Arzt bäckt für Arzt. Pfuiteufel, schmeckt das scheiße.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«