Berlin Beatet Bestes. Folge 153

Hin und weg, weg und hin

Berlin Beatet Bestes. Folge 153. Renegades Of Jazz: Hip To The Remix (2012).

Regelmäßig fragen Leute, die mein Blog gelesen haben, nach weiteren Informationen, Bildern oder MP3s, die nicht mehr herunterzuladen sind. Gestern bekam ich eine E-Mail von David, der mir mitteilte, dass er auf meinem Blog mehrere Stunden verbracht habe und »ganz hin und weg« sei. Er bat mich um zwei Titel von Okay Temiz für ein Mixtape, das er machen wolle. Die Single des türkischen Jazzmusikers Okay Temiz entdeckte ich 2005, als ich mit der Jungle World in Istanbul war. In einer Einkaufspassage im Stadtteil Karaköy sind mehrere Platten- und Klamottenläden untergebracht. In dem einzigen richtigen Secondhand-Plattenladen ließ ich mir einige Platten vorspielen. Mitten im Gespräch mit Leuten, die ich gerade erst kennengelernt hatte, ließ mich diese Platte plötzlich aufhorchen. Was ist das für seltsame Musik? Ich wusste sofort: Die muss ich haben.
Tablas, Orgel, elektrische verstärkte Gitarre und Saz mischen sich mit seltsamen Vogellauten und Urwaldrufen. Irgendwie Jazz, irgendwie Rock, irgendwie Psychedelic, und doch keines davon. Es ist durchgedrehte Drogenmusik, die in den siebziger Jahren wahrscheinlich nicht zuletzt auch an die westeuropäischen Hippies adressiert war, die gerade in Istanbul Station machten. Leider ist die Single in sehr schlechtem Zustand, es knackt und kratzt, und dafür verlangte der Mann im Plattenladen auch noch zehn Euro. Die habe ich dennoch ohne mit der Wimper zu zucken bezahlt, denn ich weiß aus Erfahrung, dass manche Gelegenheiten sich nun mal nie wieder ergeben. Die Platte ist derart exotisch und wunderlich, dass sie bisher noch jedem gefallen hat, dem ich sie vorgespielt habe. Und sie ist tatsächlich sehr selten.
David bat in seiner E-Mail um zwei neue hochauflösendere WAV-Dateien für sein Mixtape und schickte noch ein paar Links mit seinem eigenen Material. Als ich seine Musik hörte, war ich meinerseits sofort hin und weg. Was ist das für tolle Musik!? Aufgeregt lief ich zu meiner Freundin im Nebenzimmer und berichtete ihr von meiner Entdeckung. Der Hamburger David Hanke ist der Mastermind hinter dem Dance-floor-Jazz-Projekt Renegades Of Jazz. Mit Elektro-Swing konnte ich bisher wenig anfangen, als LindyHop-Tänzer fehlt mir oft das wirklich »jazzmäßige«, swingende, schwarze Element. Mit HipHop habe ich mich zuletzt vor ungefähr 20 Jahren beschäftigt, als Gang Starr angesagt war. Renegades Of Jazz ist dagegen eine wirkliche Überraschung: Diese DJ-Musik ist jazzmäßig ohne Ende! Sie erinnert mich an die vielen schönen Nächte, die ich in den neunziger Jahren im Mojo-Club auf der Reeperbahn durchtanzte. Dennoch ist die Kombination von Jazz und Breakbeat-Elementen komplett modern. Nachdem das britische Label Wass im vorigen Jahr die erste 12inch und das erste Album »Hip To The Jive« von Renegades Of Jazz veröffentlicht hatte, erschien das zweite Album »Hip To The Remix« im Juni 2012. Hören!