Sweater

Ein neuer Glanz erobert die Welt der Werbung: das klebrige Funkeln menschlicher Schweißtropfen. Besonders die Modeindustrie lässt derzeit schwitzen, etwa American Apparel, wo feucht glänzende Models in die Kamera linsen, die außer ihrer körpereigenen Kühlflüssigkeit fast nichts am Leibe haben, ähnlich wie die Nackedeis von Hollister. Die veranschaulichen schon seit Längerem, wie gut man vor allem dann aussieht, wenn man den teuren Schnickschnack wieder ausgezogen hat (die beliebten Hollister-Papiertragetaschen zeigen gänzlich textilbefreite männliche Torsi); wenigstens aber bleiben sie dabei relativ trocken. Die American Apparel-Damen jedoch tropfen, als wären sie gerade der Heimsauna entstiegen, oder den Neon-Fotostrecken, wo schon seit Jahren der Schweißglanz der Abgelichteten für Authentizität und Leidenschaft bürgen muss. Auch die Axe-Anarchy-Spots erfreuen sich ja an dezent benetzten Stirnen und Oberkörpern, wenn sie vorgeblich enthemmte Menschenmengen durch die Straßen schicken.
Keck soll das aussehen, sinnlich und frei, tatsächlich entsteht aber der Eindruck maßloser Prüderie; der Schweiß der Ekstase wirkt wie mit Wattebausch und Sprühflasche aufgetragen. Denn ein Großteil der übrigen Werbung ist natürlich aufs genaue Gegenteil und die Beseitigung aller Körperflüssigkeiten gerichtet, so dass ein letztlich paradoxer Konsumentenwunsch konstruiert wird: Lebe so leidenschaftlich, dass du vor Schweiß triefen würdest, hättest du nicht so viele Mittel dagegen genommen. Die American-Apparel-Models sind allein in ihrer Brunst; sie zeigen schon das Übermaß des Erlaubten, sind fast eine Warnung: So klebt nur, wer eigentlich fast zu schön ist für die Welt und damit die Lizenz zum Durchdrehen hat. Alle anderen müssen leider trocken bleiben.