Django im Gespräch über die Hells Angels und das Gesetz

»Wir haben nichts zu verbergen«

Der 58jährige Rudolf »Django« Triller ist Mitbegründer der deutschen Hells Angels und deren Sprecher.

GSG9-Razzien, Verbote mehrerer Vereine der Hells Angels, ein Mordanschlag in Berlin, Mordvorwürfe gegen den Hannoveraner Club-Prä­sidenten Frank Hanebuth – wie ist die Stimmung bei Ihnen?
Die Schüsse in Berlin kamen weder von einem Hells Angel noch von einem Bandido. Was behauptet wird, ist Blödsinn, damit soll die Stimmung gegen die Clubs nur weiter angeheizt werden. Ich habe mit einem Sprecher der Bandidos Kontakt. Es gibt keine aktuellen Konflikte. Wir wissen nicht, wer das war. Wir sind selber ratlos.
Aber warum gehen die Behörden gerade jetzt so vehement gegen die Clubs vor?
Das fragen wir uns natürlich auch. Denn es gibt wirklich keine neuen Vorwürfe gegen uns oder Frank Hanebuth. Es wird gesagt, wir würden mit Waffen handeln. Es wird behauptet, wir hätten Morde in Auftrag gegeben – ohne jeden Beleg. Nun aber gab es solche großen Razzien – aber was wurde gefunden? Ein Waffenarsenal? Insgesamt wurden rund 1 000 Polizisten bei den Durchsuchungen eingesetzt, auch in Privatwohnungen. Hätten wir was versteckt, hätte man es wohl finden müssen. Außerdem behaupten die Polizeivertreter, wir würden zu den größten Drogenhändlern in Deutschland zählen.
Dass Drogen gefunden wurden, können Sie doch wohl kaum bestreiten?
Aber bei keiner der Razzien gegen unseren Club wurde außer geringen Mengen Marihuana und Kokain etwas gefunden. Wo sollen denn die großen Drogendepots sein? Wir werden seit gut 20 Jahren intensiv von der Polizei observiert. Wie sollte man denn da bitte bundesweit einen großen Rauschgifthandel unterhalten, wie es behauptet wird? Die Vorwürfe sind schlicht erlogen.
Abgesehen von strafrechtlichen Vorwürfen, werden Rockerclubs wie die Hells Angels auch oft mit Neonazis in Verbindung gebracht. Das Heute-Journal sprach kürzlich von einer »Brutstätte des Rechtsextremismus«.
Erstmal sag ich’s persönlich: Für mich sind Neonazis der letzte Dreck. Ich will mit denen überhaupt nichts zu tun haben. In meiner Familie wissen wir, was Nationalsozialismus heißt. Mein Vater war im Widerstand gegen Hitler, er saß dafür die letzten Kriegstage in Gestapo-Haft. Was ich von diesen Nazis halte, ist also ganz klar. Und was die Hells Angels angeht: Wir haben ganz klare Prinzipien, wenn einer von uns Kontakt zu denen pflegt, fliegt der raus. Ganz schnell, ganz einfach. Wenn jemand aus dieser Szene zu uns kommt, dann muss er uns eindeutig nachweisen, dass er damit nichts mehr zu tun hat. Sonst geht gar nichts. Die Hells Angels sind interna­tional in sehr vielen Ländern vertreten. Es gibt bei uns Israelis, Palästinenser, Araber, Türken, Indianer. Ich war gerade beim Welttreffen in Österreich. Niemand findet bei uns Rassismus gut.
Wenn an allem nichts dran sein soll, wie Sie sagen – wie begründeten die Verantwortlichen dann die Vereinsverbote?
Gar nicht. Und das Komische ist: Das müssen sie nicht mal. Vereinsverbote können in Deutschland auf Verdacht hin von den Ministern der Länder verfügt werden. Diese Praxis verursacht eine Umkehrung der Beweislast. Dem Verein, der ins Visier gerät, muss offiziell gar nichts nachgewiesen werden – es genügt die bloße Annahme. Wenn bei einigen Hells Angels kleine Mengen an Haschisch gefunden werden, dann reicht das juristisch, um zu sagen: Dort findet Drogenhandel statt. Was soll daran noch Rechtsstaat sein?
Aber Rocker kokettieren doch durch ihr ganzes Auftreten bewusst mit dem Klischee des Kriminellen, oder nicht?
Offenbar gibt es Leute, die was gegen unseren Lebensstil haben, weil er angeblich nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Für sie sind wir ein Relikt aus den Rocker-Zeiten der sechziger und siebziger Jahre. Damals war das die große Mode. Heute bin ich 58 Jahre alt. Ich bin über die B-Movies der Siebziger zu der ganzen Motorrad-Sache gekommen. Damals war das einfach ein Gegensatz zu dem, was man gewohnt war. Es ging um die Faszination der großen, weiten Welt, das Anderssein – es war eine richtige Underground-Kultur damals. Wir haben komischerweise die meisten Probleme mit rot-grünen Verwaltungen, vor allem aber mit den Grünen. Scheinbar passen wir denen nicht in ihr politisch korrektes Bild.
Irgendwie klingt das alles nach einer Verschwörungstheorie. Warum sollten denn Ihrer Meinung nach so große Teile der Politik es auf die Hells Angels abgesehen haben?
Ich glaube, in den letzten Jahren hat sich in der Gesellschaft eine Stimmung entwickelt: Einige passen nicht ins Bild vom sauberen Deutschland. Und wir besonders nicht. Zumindest das deutsche Fernsehen und besonders die Werbung ist voll von etwas dümmlichen Männern, die den Kinderwagen durch die Gegend schieben und auf brav und anständig machen. Und wir gelten diesen Leuten eben als ihr Gegenteil: schwere Motorräder, Tätowierungen, Clubhäuser, in denen Bier getrunken und sogar geraucht wird und so weiter. Ich meine, die Grünen, genau wie die SPD, sind verbots- und regulierungssüchtig. Und uns werfen sie vor, wir seien die Bösen.
Aber auch in anderen europäischen Staaten gingen die Behörden gegen Rocker vor. Dort wurden von den Banden schwerste Waffen eingesetzt, es gab viele Tote, etwa in den USA und in Skandinavien.
In Dänemark gab es das schon in den Neunzigern. Das führte dort zu einem großen Politikskandal. Die damalige Jusitizministerin, Lene Espersen, wurde daraufhin von dänischen Zeitungen »Lügen-Lene« genannt. Außerdem war da noch Manfred Seitner, der damalige operative Chef des dänischen Polizeigeheimdienstes, der danach groß Karriere bei Europol und bei Interpol gemacht hat. Er erklärte die Rocker zu Staatsfeinden. Von ihm stammt die Aufforderung, den Clubs alle legalen Geschäfte zu entziehen, sie in die Illegalität zu treiben und nur noch als Kriminelle zu verfolgen, um sie endgültig zu vernichten. Das stand in Verbindung mit dem Ausbau von Europol. Dazu war es nötig, eine »Organisierte Kriminalität« zu erfinden, die es in dem Ausmaß überhaupt nicht gab. Es wurden große Strategiepapiere und Planspiele entworfen, die ganze Aktenordner füllen. In Deutschland orientierte man sich dann immer stärker an dieser Strategie.
Sie halten also die Behörden für die wirklichen Kriminellen?
Deren Methoden sind jedenfalls sehr merkwürdig. Es werden Leute als Aussteiger präsentiert, die uns belasten, wie jetzt in Kiel. Der Typ hatte mit mir oder Frank Hanbuth überhaupt nichts zu tun. Jetzt behaupten er und die Polizei, er hätte mitgehört, wie die Beschuldigten sich über den Ermordeten unterhalten hätten.
Mittlerweile hat der Spiegel darüber berichtet, dass die Aussagen dieses Belastungszeugen voller Ungereimtheiten seien und es wohl eine Vereinbarung zum Straferlass für ihn gebe.
Ich vermute auch, dass es diese Vereinbarung gab. Ähnliches gab es schon einmal mit diesem sogenannten »Bad Boy Uli« aus Kassel vor zwei, drei Jahren. Der wurde in verschiedenen Fernsehsendungen als Aussteiger aus der Szene präsentiert. Dabei war es genau andersrum: Wir haben ihn rausgeschmissen, weil er richtig groß ins Drogengeschäft eingestiegen war. Es ging um über 16 Kilo Kokain. Gegen uns als Gruppe lag überhaupt nichts vor, aber in den Medien wurde es so hingestellt: Ist einer von denen kriminell, sind’s alle. Die Vorgänge wurden einfach umgedreht, nach dem Motto: Irgendwas wird schon hängenbleiben. Aber wir haben nichts zu verbergen. Wir stellen uns allen Vorwürfen der Justiz, wenn sie denn konkrete hat.