Irgendwo in Afrika

Berlin Beatet Bestes. Folge 160. Metric Jazz National: Odero Koduko (1974)

Samstags gehe ich gern auf den kleinen Flohmarkt, der praktischerweise genau vor meiner Haustür liegt. Ob ich etwas finde, hat etwas mit der richtigen Stimmung zu tun. Obwohl sich an meiner Sammelleidenschaft so schnell nichts ändern wird, brauche ich doch eine gewisse Kauflaune. Die hatte ich an diesem sonnigen Nachmittag wohl, sonst hätte ich die drei afrikanischen Singles nicht so einfach mitgenommen, denn ich weiß nichts über afrikanische Popmusik und auch nichts über die Musiker, die auf den Platten spielen. Die Singles befinden sich allerdings in einem so exzellenten Zustand, dass ich es kaum fassen konnte. Sie sehen nach fast 40 Jahren noch aus wie neu. Das machte die Entscheidung leicht. Ich stelle mir vor, dass die Singles unmittelbar nach dem Erwerb in Nairobi nach Berlin gebracht worden und dann all die Jahre ungespielt in einem Plattenalbum gelegen sind. In Kenia wären sie dem relativ heißen und feuchten Klima und dem afrikanischen Staub ausgesetzt gewesen. Außerdem hätte jemand die Platten gespielt, denn die Musik, die auf ihnen zu hören ist, ist sehr gut. Es sind afrikanische Hits gewesen. Zudem waren Schallplatten in Afrika Luxusgegenstände, die so lange durchgenudelt wurden, bis sie total zerkratzt waren. Aus demselben Grund ist es heute so schwer, eine Originalscheibe von Elvis oder den Beatles in ungespieltem Zustand zu beschaffen. Zuhause habe ich nach den Bandnamen im Internet gesucht und sofort drei CDs der Metric Jazz National Band gefunden. Das Melodica Label aus Nairobi existiert immer noch und kann auf einen über 40 Jahre alten Katalog von Musik zurückblicken. Gegründet wurde Melodica von Dauria Karim, das Label wird heute von seinem Sohn Abdul weiter geführt. In einem kleinen Shop in Downtown Nairobi bietet er Kassetten und CDs verschiedener aktueller Musikrichtungen an, sowie Wiederveröffentlichungen des Melodica Labels.
Beim ersten Anhören der Platten fiel mir zuerst die außergewöhnliche Verflechtung von Bass, Gitarre und Gesang auf. Der pulsierende Bass ist dabei besonders aktiv und prägt den Rhythmus. Manchmal scheint er zudem die Melodie mit synkopierter Ver­zögerung zu imitieren, um dann wieder nur im Hintergrund den schnellen Rhythmus zu halten. Am Ende jeder Gesangsphrasierung setzen dann immer die Gitarren mit einem eingängigen Riff oder der Wiederholung der Melodie ein. Mit herkömmlichem Jazz hat diese typisch afrikanische Musik zwar nichts zu tun, aber der Hinweis im Bandnamen ist nicht ganz verkehrt. Ich bin ganz froh über meine schönen Neuerwerbungen, auch wenn ich über ostafrikanische Popmusik nicht erst auf dem Flohmarkt hätte stolpern müssen. Der Afro-Shop in Neukölln, in dem ich seit über zehn Jahren meine Pomade kaufe, hat sicher auch einige CDs im Angebot. Außerdem gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Wiederveröffentlichungen, vor allem auf Vinyl, die einen leichten Zugang bieten. Es gibt noch viel zu entdecken.