Greece burning

Als Erfinder der Negativ-PR darf der antike Hirte Herostratos gelten. Seinen Wunsch, auf alle Zeit in die Geschichte einzugehen, verwirklichte er, indem er den Tempel der Artemis zu Ephesos niederbrannte. Weil schon damals die Prinzipien von spin und counter-spin bekannt waren, verurteilte man ihn nicht nur zum Tode, sondern auch zur damnatio memoriae, der Tilgung seines Namens aus allen Aufzeichnungen. Dass die Schlaumeier der Welt ihn heute kennen, kann als früher Streisand-Effekt verstanden werden: Wer unbedingt in die Öffentlichkeit will, schafft das auch; und angesichts rauchender Tempeltrümmer kann auch striktes Ignorieren nicht verfangen. In diesem Sinne sind die »phantasielosen Werber« moderne Herostraten: Ihr Zerstörungswerk findet im Hirn der Rezipienten statt, in Idiotiegewittern geschmolzene Neuronen künden von ihrem Ruhm. Wenn die jungen Erwachsenen von heute auf Youtube nach Fernsehnostalgie gieren, suchen sie nicht nach originellen Konzepten, sondern die Spots von Zott-Sahnejoghurt, Krönung light und Flora-soft-Margarine. Es ist der nackte Quatsch, der in diesen Jingles brennt; die verkohlten Reste von Sprache und Melodie, die doch über Jahrzehnte hinweg weiterglosen wie ein Kohleflöz nach der Zigarettenkippe. An die zahllosen Produkte des Kinder-Konzerns, bei den Agenturen besonders verhasst wegen seiner konservativen, keiner Originalität zugänglichen Reklamestrategien, werden wir uns noch in Jahrzehnten erinnern, denn Orginalität existiert immer nur für den Moment, Stumpfsinn aber ewig. Wie sich dagegen wehren? Vielleicht sollte man sich häufiger des zweiten Teils von Herostratos’ Strafe entsinnen – und statt ignorieren wieder mehr exekutieren. Oder, mit der großen Sibylle Berg: »Werber, willst du aufs Maul?«

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«.