It’s not just about the music

Athen Beatet Bestes. Spezialfolge. Antimob.

Vassilis hat mich am Exarchia-Platz abgeholt und hinten auf sein Motorrad gesetzt, nun sausen wir zum Übungsraum von Antimob. »Do you know Buffo?«, fragt er von vorn. Wahnsinn! Er kennt Buffo, einen alten Bekannten, einer aus einer Handvoll von Hardcore-Punk-Veteranen aus den achtziger Jahren, die in Hamburg immer noch aktiv sind. Klar kenne ich den! Und Vassilis kennt auch Fishcore-Olaf, Andy Thrashbastard und Iffi. Die Welt ist so schön klein. Der Übungsraum liegt in dem heruntergekommensten, dreckigsten Teil des Bezirks, und so winkt Vassilis auch zuerst einmal freundlich einige Junkies aus dem Weg, die auf der Treppe zum Übungsraum sitzen. Durch ein mit großen Stahlschlössern gesichertes, schweres Eisenrollo geht’s nach unten in einen Keller, den sich Antimob mit einer befreundeten Band teilen. Nach und nach trudeln die anderen Bandmitglieder ein, wir stellen uns einander vor und quatschen. Sie haben seit zwei Monaten nicht zusammen geprobt und obwohl sie mich einladen, warte ich doch lieber erstmal draußen im Vorraum auf dem Sofa, um ihnen Zeit zu geben, sich ohne Zuschauer aufzuwärmen. Was ich höre, haut mich um. Während ich so daliege, habe ich ein Bild vor mir, von einer Zelle. Von fünf entschlossenen, jungen Griechen, deren Antwort auf die Krise in einem gesicherten Keller im unsichersten Viertel von Athen nicht defensiv, gedemütigt und jammernd, sondern wütend, kraftvoll und voller Agilität ist. Diese Typen lassen sich nicht einfach unterkriegen. Nach einer Viertelstunde halte ich es nicht mehr aus, ich muss da rein. Vassilis treibt am Schlagzeug die zwei Gitarren und den Bass voran. Da ist so viel Druck in der Musik und so viel technische Versiertheit, Hammer! Ich stehe zwischen Vassilis und seinen Mitstreitern und bin begeistert. Nicht nur so »Ja, für Griechen ganz gut«-begeistert, sondern richtig, richtig be­geistert.
Antimob habe ich live zuerst 2008 in Berlin gesehen, zusammen mit Masshysteri und Autistic Youth. Seitdem haben sie zwei 7 Inches, eine Split-EP und zuletzt ein, im Fanzine Maximum Rock’n’Roll gefeiertes, Demo veröffentlicht. Dieses Demo erinnert, ohne andere Bandnamen zum Vergleich heranzuziehen, an den Crust-Sound der besten Bands der frühen 2000er, gemischt mit einem Schuss Thrash und herausragendem Gesang. Während die Texte anfangs noch Englisch waren, singen Antimob jetzt auf Griechisch. Seitdem haben Antimob einen enormen Schritt gemacht. Offensichtlich haben die griechischen Lebensumstände ihre Musik befeuert und ihren Sound radikalisiert. Während internationale DIY-Bands in Berlin und Barcelona es sich gerade mit Post-Punk-Nostalgie, Art-Punk und Abziehbild-Crust-Punk gemütlich machen, hat der Anarcho-Punk von Antimob eine glaubhafte Unmittelbarkeit, die dem Ursprung des Genres sehr nahe kommt. Vielleicht kann gerade eine griechische Band im Moment diesen Anarcho-Sound authentischer und dynamischer wiedergeben, als Bands aus Ländern, die die Krise noch nicht voll erreicht hat. Als Anarchist sei er sicher, dass die Krise kein spezifisch griechisches Problem ist, sagt Vassilis in einer kurzen Pause vom Proben. Und wir sollten uns derweil nicht so sicher sein, dass sie uns nicht auch erreicht. Am Schluss bringt er mich auf seinem Motorrad noch zurück zum Jungle World-HQ nach Keramikos. Während er uns durch den Abendverkehr lenkt, meint er: »Too bad that you will miss the big strike and demonstrations next week.« »Will you take part?« »Of course!«, antwortet er empört. Als wir uns verabschieden, sagt er noch: »Antimob is not just about the music.«
Im Herbst werden Antimob ihre Debüt-LP in Griechenland selbst veröffentlichen. Es ist anzunehmen, daß ein amerikanisches oder deutsches Label so klug sein wird, diese dann auch in Lizenz zu pressen. Zusammen mit der deutschen Band Burial werden Antimob am 11. November im Kastanienkeller in Berlin spielen. Ich weiß, wo ich dann sein werde. Direkt im Mob vor der Bühne.