Eine neue rechtspopulistische Jugendorganisation

Die Jugend soll es richten

Die antimuslimischen Rechtspopulisten sind in Deutschland parteipolitisch erfolglos. Nun versuchen sie es mit einer Jugendorganisation.

Tony-Xaver Fiedler ist keiner von der klandestinen Sorte. Freimütig berichtet er auf seiner Internetseite über sich, der interessierte Besucher erfährt zahlreiche Details aus seinem Leben: Der 23jährige ist demnach Student der Rechtswissenschaft, kocht gerne und tanzt am liebsten zu Hardstyle-Techno. Auch sein Lebensmotto verrät er: »Wir fallen hin, damit wir lernen, wieder aufzustehen.«

Was wie einer der unzähligen Fälle von digitalem Exhibitionismus wirkt, erweist sich auf den zweiten Blick als Glücksfall für jede Recherchegruppe. Denn Fiedler ist nicht einfach nur ein Zeitgenosse mit schlechtem Musikgeschmack, sondern ein führender Nachwuchsfunktionär des rechtspopulistischen Milieus in Deutschland. Kurz nach der Volljährigkeit, so ist seinem Lebenslauf zu entnehmen, wurde er bereits Mitglied der Republikaner. 2009 wechselte er zur DVU und kam nach einem rasanten Aufstieg in der Partei noch im selben Jahr bei Pro NRW unter, wo er Jugendbeauftragter wurde.
Vor wenigen Wochen hat er den nächsten Schritt in seiner politischen Karriere gemacht. Fiedler ist nun der stolze Gründer und Vorsitzende des Rings Freiheitlicher Jugend Deutschland (RFJD), einer selbsternannten »freiheitlich-patriotischen Jugendorganisation«, deren Ziel es unter anderem ist, der »Islamisierung Deutschlands und Europas« sowie dem »linksextremen Wahn« entgegenzutreten. Die Internetpräsenz der Organisation wurde sichtlich übereilt zugänglich gemacht, viel zu sehen gibt es nicht. Unter einem Foto von vier etwas ratlos dreinschauenden Hemdträgern steht der Hinweis: »Hier entsteht die neue Internetpräsenz des Rings Freiheitlicher Jugend Deutschland.« Ein kleines Bekenntnis findet man daneben: »Unser Herz schlägt Schwarz-Rot-Gold.«
»In der Szene wurde die Jugendarbeit über Jahre vernachlässigt«, wird Fiedler auf Spiegel Online zitiert. Der RFJD soll diese Lücke nun parteiübergreifend schließen, die Splittergruppen einen und ein »konservatives und an christlichen Werten orientiertes« Bündnis gegen die vermeintliche Islamisierung Europas aufbauen. Anlässlich der Gründung schrieb Fiedler: »Unser Kampf gilt der Freiheit und Demokratie, und für diesen anstrengenden Kampf müssen wir die Kräfte vereinen, um diese Auseinandersetzung erfolgreich zu bestreiten. Deutschland steht am Scheideweg, nun existiert aber eine freiheitliche Jugendorganisation, die diesen Kampf aufnimmt.«

Wie dieser Kampf aussieht, lässt sich bereits seit einigen Wochen beobachten. So wurde das neuaufgelegte Jugendmagazin Objektiv angeblich in einer Auflage von 15 000 Stück an Schüler und Studenten in deutschen Großstädten verteilt. Das Blatt machte sich bereits vor einigen Jahren als Organ der »Jugend Pro Köln« zur Lachnummer. In einer Anzeige für den Arbeitskreis Jugend der Bürgerbewegung Pro Köln posierte damals eine junge Frau im Minirock unter dem Slogan »Deutsch ist geil«. Das abgebildete Model war jedoch Tschechin, das Foto einfach aus dem Netz kopiert.
Auch Fiedler trat bisher alles andere als souverän in Erscheinung. Im Internet kursiert ein Video, das den Vorsitzenden des RFJD bei einer Kundgebung zeigt, die im Juni unter dem Motto »Hasta la vista, Salafista!« in einem Frankfurter Wohngebiet stattfand. Umringt von zwei Dutzend Anhängern und abgeschirmt von Polizeibeamten las er stotternd zusammenhangslose Zitate von Zetteln ab und wurde immer wieder vom Gelächter der Gegendemonstranten unterbrochen.
Immerhin scheint die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten aus anderen europäischen Ländern zu funktionieren. Neben Vertretern des Rings freiheitlicher Jugend Österreich, der Jugendorganisation der rechtspopulistischen FPÖ, die auch als Vorbild bei der Namensgebung diente, traf sich Fiedler bereits mit Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang mit dem Ziel, eine »gesamteuropäische Initiative gegen die zunehmende Islamisierung unserer Städte« anzustoßen.
Der deutsche Ableger der English Defence League, die German Defence League, will den RFJD Medienberichten zufolge mit mehr als 100 Mitgliedern beglücken. Allerdings ist bei Angaben aus der Pro-Bewegung und ihrem Umfeld Vorsicht geboten. So sprachen die Veranstalter beim »Anti-Islamisierungskongress« in Köln 2008 von über 2 000 Teilnehmern, obwohl lediglich 300 zugegen waren. Im April behauptete Pro NRW, ein Bürger mit Migrationshintergrund habe einen Mordanschlag auf einen ihrer Wahlkampfhelfer verübt. Es folgte ein Verfahren wegen des Vortäuschens einer Straftat.
Nicht nur das angestrengte Ringen um die öffentliche Aufmerksamkeit, die die Partei jüngst auch mit ihren Einlassungen zum sogenannten Mohammed-Video vergeblich auf sich zu ziehen versuchte, zeigt, dass es schlecht um die Bewegung steht. Im Frühjahr stand Pro Köln kurz vor der Pleite. In der vergangenen Woche erfüllten die Behörden die von der Pro-Bewegung vielfach geäußerte Forderung nach einer »handlungsfähigen Polizei und Justiz«: 17 Wohnungen und Büros von Funktionären und Kommunalpolitikern von Pro Köln, Pro NRW und Pro Deutschland wurden wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs durchsucht.

Es sieht also nicht allzu gut aus für die Pro-Bewegung. Selbst die 1,5 Prozent der Stimmen, die die Partei bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im Frühjahr erhielt, dürften ihre Mitglieder nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ihnen misslingt, die vorhandenen rassistischen und antimuslimischen Ressentiments in der Gesellschaft in Mandate zu verwandeln. Vielleicht ist die Gründung des RFJD ja der Erkenntnis geschuldet, dass die Parteiarbeit bislang keine großen Erfolge gebracht hat.
Angesichts der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds wirken die versprengten, Deutschland-Flaggen schwenkenden Großväter und deutschtümelnden Enkel, die sich als Verteidiger des christlichen Abendlandes betrachten, nicht gerade als »Vorfeldorganisation des rechten Terrors«, wie der Recklinghausener Kreistag Pro NRW Anfang des Jahres in einer Resolution bezeichnete. Solange sich die Anhänger zu christlichen Sakralgesängen vor Moscheen einfinden, kann dies eher als Einladung zum Auslachen bewertet werden. Und im Gegensatz zum NSU-Trio Schärpe, Böhnhardt und Mundlos wirkt Fiedler nicht wie jemand, der unterzutauchen beabsichtigt: Er hat sogar seine Adresse auf seiner Homepage veröffentlicht.