Sozialismus bot Gutes

Berlin Beatet Bestes. Folge 167. Dieter Resch: Gitarren-Swing (1960).

Das Reduzierte hat mich schon immer fasziniert. Als Kind habe ich an meinem Fahrrad so lange alles abgeschraubt, bis nur noch Räder und Rahmen übrig blieben. Mir gefiel das Schlichte und Rohe, und natürlich war das Rad dann auch superschnell. Als Künstler schwöre ich auf den einfachen Strich. Ich mag es, mit wenigen Mitteln auszukommen und mit dem zu arbeiten, was ich zur Verfügung habe. Das scheint mir auch das Credo der Menschen im Sozialismus gewesen zu sein. Der soeben angelaufene Film »Sushi in Suhl« erzählt zum Beispiel die Geschichte des einzigen japanischen Restaurants der DDR in den sechziger und siebziger Jahren. Trotz der räumlichen Entfernung zu den Ursprüngen der japanischen Küche, fehlender Zutaten und mangelnder Kochkenntnissen wurde das kleine thüringische Restaurant so populär, dass es eine Warteliste von zwei Jahren gab.
Vorige Woche hat die kubanische Führung angekündigt, dass es ab 2013 Reisefreiheit geben werde. Nach 51 Jahren werden die Kubaner nun endlich aus ihrer seltsamen Isolation gerissen. Es ist das Ende einer Ära. Es mag zynisch sein, aber Restriktionen können durchaus die Kreativität anregen. Bis heute überraschen und beeindrucken mich die Produktionen, die unter kommunistischen Regimes entstanden sind. Wo die Welt nicht ein einziger Supermarkt ist, müssen Dinge eben selbst hergestellt werden. Nicht selten werden diese Dinge dann der einzige Referenzpunkt für die Menschen, die in der Isolation gelebt haben.
Womit ich bei Dieter Resch wäre, dem einzigen Trick-Gitarrespieler der DDR, dem kommunis­tischen Les Paul sozusagen. Les Paul ist der Erfinder der berühmten, nach ihm benannten elektrischen Gitarre. Außerdem erfand er die Multitrack-Aufnahmen und das Overdubbing. Seine Gitarren-Instrumentals klangen damals so, als kämen sie direkt aus dem Weltraum. In den sechziger Jahren kannte kein einziger DDR-Bürger Les Paul, die Trickaufnahmen von Dieter Resch aber schon. Obwohl er nur die B-Seiten von gut einem Dutzend Singles bespielen durfte, war er als Mitglied des Tanzorchesters Leipzig (zunächst unter der Leitung von Kurt Henkels und später, nach dessen Flucht in den Westen, unter der Walter Eichenbergs) Teil der DDR-Unterhaltungsindustrie. Es ist ein Glück, dass es Dieter Resch überhaupt gelang, Platten zu machen, die zumindest annähernd rockten. Rock’n’Roll-mäßig gehörte die DDR in den fünfziger und frühen sechziger Jahren nämlich zu den restriktivsten osteuropäischen Ländern. Dennoch ist der Rock’n’Roll-Ersatz von Dieter Resch, ebenso wie der seines tschechoslowakischen Kollegen Miroslav Kefurt (dessen tragische Geschichte ich bereits erzählt habe), in den vergangenen 50 Jahren leider in Vergessenheit geraten. Bis auf einige wenige Songs ist das Gesamtwerk von Dieter Resch nie wiederveröffentlicht worden. Das ist wirklich schade, denn die rasend schnellen Trickaufnahmen des einzigen kommunistischen deutschen Gitarrenzauberers sind bemerkenswert. Sie hätten es verdient, noch mal gehört zu werden.