Streit um Ortsnamen im Saarland

»Liebe kennt nur einen Namen«

Die »Hermann-Röchling-Höhe« im saarländischen Völklingen ist der letzte Ortsteil Deutschlands, der nach einem pro­minenten NS-Kriegsverbrecher benannt ist.

Der Name des nach dem Rüstungsindustriellen und hohen NS-Funktionär Hermann Röchling benannten Stadtteils hätte, wenn auch spät, immerhin im Juni vorigen Jahres geändert werden können. Die Linkspartei hatte im Stadtrat einen Umbenennungsantrag eingereicht. Die Chancen standen nicht schlecht, denn überraschend hatte auch die SPD, die sich Jahrzehnte gegen eine Umbenennung gesträubt hatte, angekündigt, für den Antrag zu stimmen (Jungle World 23/12). Doch es kam anders: Zeugen beschreiben die öffentliche Stadtratssitzung, an der rund 100 Unterstützer des 1949 in Rastatt wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilten Nazis teilnahmen, als eine Art kleinen Reichsparteitag. Den Parolen des Fraktionsvorsitzenden der Völklinger NPD, Frank Franz, der für seine Partei auch im Bundesvorstand sitzt, jubelte die Menge zu. Die Umbenennungsbefürworter, die an die Kriegsgefangenen erinnerten, die in den Völklinger Stahlwerken zu Hunderten den Tod fanden, buhte man hingegen aus. Schließlich erreichten CDU und FDP im Einvernehmen mit der NPD und Teilen der SPD, dass der Antrag abgelehnt wurde. Bei so einer wichtigen Frage dürfe nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden.

Am 30. Januar soll nun ein weiteres Mal abgestimmt werden. Diesmal sind allerdings SPD, CDU und FDP die Antragsteller. Sie haben einen Kompromiss ersonnen, der den lokalen Mob weniger erzürnen dürfte. Statt den Ortsteil in »Bouser Höhe« umzubenennen, wie die ehemalige Werksiedlung bis 1956 hieß, solle lediglich der Vorname »Hermann« gestrichen werden. So würde nicht nur der Kriegsverbrecher, sondern die Industriellenfamilie insgesamt gewürdigt, die sich um Völklingen verdient gemacht. Diesen absurd anmutenden Kompromiss begründet der Fraktionsvorsitzende der Völklinger SPD, Erik Kuhn, damit, er wolle Schaden von der Stadt abwenden. Denn käme es zu einer Bürgerbefragung, wie sie die Linkspartei fordert, wäre das Ergebnis ungewiss. Angesichts der Sympathie, die Röchling in der Industriestadt, an der Versuche der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit offensichtlich spurlos vorübergegangen sind, bis heute genießt, ist diese Einschätzung nicht ganz von der Hand zu weisen. Wie aber gerade mit diesem Vorschlag, den auch der NPD-Funktionär Franz für einen »durchaus gelungenen Kompromiss« hält, die miserable Außenwirkung der Stadt Völklingen, die als rechte Hochburg gilt und in der Migranten seit Jahren in Angst vor Brandanschlägen leben, verbessert werden soll, ist fraglich. Im Gespräch mit der Jungle World weist Günter Danninger, der mit einer Bürgerinitiative die Diskussion um die Umbenennung ins Rollen brachte, darauf hin, dass nicht nur Hermann Röchling, sondern mindestens zwei weitere Mitglieder der Familie ebenfalls als Kriegsverbrecher verurteilt worden sind. Auch Richard Bermann, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde im Saarland, kritisiert, dass hiermit letztlich der ganze Röchling-Clan, der »vielfältig in die Kriegsmaschinerie verstrickt war«, in seiner Gesamtheit geehrt würde.

Neben Mahnwachen soll vor der Abstimmung mit einer Petition Druck auf den Stadtrat und vor allem die SPD ausgeübt werden. Auf der Unterstützerliste findet sich mit Beate Klarsfeld auch Prominenz. Gegenüber der Jungle World kritisiert sie die Haltung des Stadtrats und fordert eine komplette Streichung des Namens. Alternativ schlägt sie vor, auf dem Ortsschild zumindest seine Verurteilung als Kriegsverbrecher zu verzeichnen – als »Geschichtsunterricht«. Ob sich die SPD von dem Protest beeindrucken lassen wird, ist zu bezweifeln. In der Partei finden sich mitunter glühende Verehrer Röchlings. Die Bürgerinitiative »Zukunft der Hermann-Röchling-Höhe«, die für die Beibehaltung des Namens eintritt, kann sich unter anderem auf die Unterstützung von Arno Hübschen, einem ehemaligen SPD-Ortsvorsteher, verlassen. Wie diese Initiative zu ihrem Idol steht, konnte man jüngst auf dem Weihnachtsmarkt des Stadtteils beobachten. Dort verkaufte der Verein äußerst erfolgreich Anstecker. Die Aufschrift: »Liebe kennt nur einen Namen«.