Filme von James Franco auf der Berlinale

Der Cruiser von Oz

Er ist Produzent, Regisseur und Darsteller. Auf der Berlinale ist James Franco mit drei Filmen vertreten. Ein Porträt des Multitasking-Talents aus Hollywood.

Hat man bei Google Alerts den Namen »James Franco« eingegeben, so erhält man täglich mindestens drei E-Mails mit Neuigkeiten über den Mann. Gerade lief auf dem Sundance-Festival Cristina Voros’ »Kink«, ein von James Franco produzierter Dokumentarfilm über den größten Online-Anbieter von BDSM-Filmen. Demnächst spielt Franco in dem Walt-Disney-Film »Die phantastische Welt von Oz« von Sam Raimi die Hauptrolle, überdies plant er die Verfilmung des Romans »American Tabloid« von James Ellroy. Außerdem promotet er diverse Filme, bei denen er irgendwie die Finger im Spiel hat: Zum Beispiel »Spring Breakers« von Harmony Korine und Seth Rogens apokalyptische Komödie »Das ist das Ende«, in dem er sich selbst spielt. Doch ein Ende der Arbeitswut des Künstlers, der zudem noch schreibt, studiert, zeichnet, fotografiert, modelt und Ausstellungen kuratiert, ist noch lange nicht in Sicht.
Auf der diesjährigen Berlinale ist James Franco – in der Sektion Panorama – gleich mit drei Filmen vertreten. Bereits 2010 war er in der Rolle des Allen Ginsberg in dem Wettbewerbsbeitrag »Howl« zu sehen. Im selben Jahr gewann er den Teddy-Award für seinen Kurzfilm »The Feast of Stephen«. 2012 konnte man Franco als koksabhängigen reichen Verehrer von »Cherry«, einem »White Trash«-Mädchen, das ins Porno-Business einsteigt, erleben.
In diesem Jahr hat Franco, der von einigen Kritikern als eitler Selbstdarsteller verachtet und von anderen als hyperaktiver Allround-Künstler bewundert wird, gleich in drei vielversprechenden Independent-Produktionen aus den USA mitgewirkt.
Die Regisseure des rauschhaften Biopics »Howl«, Rob Epstein und Jeffrey Friedman, besetzen den neuen Star des jungen amerikanischen Kinos, der bedenkenlos nicht nur zwischen Mainstream und Arthouse-Kino wechselt, erneut – dieses Mal für einen Kurzauftritt in ihrem Biopic »Lovelace«.
Natürlich darf eine Pop-Ikone wie Franco bei einer solchen Produktion nicht fehlen. Etliche Stars bekundeten ihr Interesse, bei dem Film mitzuspielen. Schließlich ging es darum, das wahre Leben und das Leiden der von ihrem brutalen Ehemann ins Porno-Business gedrängten Linda Lovelace darzustellen. Lovelace, die eigentlich Linda Susan Boreman heißt, spielte mit dem Hardcore-Porno »Deep Throat« in den Siebzigern die enorme Summe von 600 Millionen Dollar ein, von denen Lindas Ehemann 1 250 Dollar einstrich und sie selbst keinen Cent sah. Warum der Porno so überaus erfolgreich war, wird in dem Biopic kaum untersucht. Stattdessen springen die Regisseure zwischen den Jahren vor und nach der steilen Karriere von »Deep Throat« hin und her. Dabei zeigen sie einige Szenen zweimal, einmal in der glamouröse Außenansicht und einmal als persönliche Erinnerung der von ihrem Mann und der Porno-Industrie missbrauchten Linda. Damit wird eine Komplexität vorgetäuscht, die der Film gar nicht hat.
Zu dem großspurigen Konzept passt auch der Aufmarsch der Stars – Demi Moore sprang zwar kurzfristig ab, Amanda Seyfried aber übernahm die Hauptrolle, eine nicht wiederzuerkennende Sharon Stone verkörpert die Mutter von Linda, Adam Brody interpretiert recht witzig ihren Filmsexpartner, und Peter Sarsgaard spielt sehr überzeugend ihren Ehemann und Peiniger Chuck.
James Franco hat einen Cameo-Auftritt als Pornomogul Hugh Hefner. Sein Hefner kommt leider nur wie eine handzahme Karikatur des Heftekönigs daher, ein Gentleman, der Linda selbstverständlich nie zu nahe gekommen ist. Einige Zeitzeugen bezweifeln diese Darstellung.
Franco, der 2001 für einen Fernsehfilm in die Rolle des James Dean schlüpfte und kürzlich an der Seite von Julia Roberts in dem esoterisch angehauchten Film »Eat, Pray, Love« zu sehen war, wirkt in dem Schauspielerdrama »Maladies« dagegen deutlich überzeugender. Hier stellt er einen Schauspieler dar, der wegen psychischer Probleme nicht mehr arbeiten kann. Den Blick, die Schüchternheit, die tief sitzende Verzweiflung des »Rebel without a cause« trifft er in der Rolle des von der Welt verunsicherten Mannes sehr genau. Der Film spielt in den siebziger Jahren. James lebt zusammen mit seiner labilen Schwester Patricia und seiner besten Freundin Catherine, einer Malerin. Sein Nachbar Kathy ist ein netter queerer, alter Mann, der ein bisschen in den ehemaligen Serienschauspieler von »General Hospital« verliebt ist. (In dieser überaus erfolgreichen Serie spielt James Franco übrigens mit.) Während James Stimmen hört, wie ein Besessener an einem Buch arbeitet und sich gelegentlich mit dem Anhören des Freizeichentons des Telefons beruhigen muss, versinkt seine in tragische Outfits gekleidete Schwester in ihrer eigenen Welt. Catherine verspürt gelegentlich den Drang, sich als Mann zu verkleiden, was die beiden Geschwister, um die sie sich kümmert, nur zusätzlich verwirrt. Doch bevor diese fragile Konstellation sich auflöst, wird noch ein Pakt unter Künstlern geschlossen: Was ist, wenn man jung stirbt und erst 70 Prozent der Arbeit erledigt sind? »Maladies« ist ein faszinierender Film mit einem freudig aufspielenden Spitzen­ensemble.
Die Mockumentary »Interior. Leather Bar« von Travis Mathews und James Franco, in der er selbst mitspielt, bezieht sich auf William Friedkins Skandalfim »Cruising« von 1980, in dem Al Pacino die Hauptrolle spielt. Pacino stellt darin einen Undercover-Polizisten dar, der in der schwulen SM-Szene ermittelt. Die US-amerikanische Filmbewertungsstelle MPAA forderte damals, diverse Hardcore-Szenen aus dem Film herauszuschneiden. Sie waren nie auf der Kinoleinwand zu sehen. Franco und Mathews geben nun vor, diese »Interior. Leather Bar« betitelte Szene nachzustellen. Sie casten den heterosexuellen, verheirateten Schauspieler Val Lauren als Pacino. Im Gespräch mit hetero- und homosexuellen Darstellern und in den recht kurzen Sexszenen, in denen Stiefel geleckt, Ketten geschwungen, gefickt und geblasen wird, soll sich der schwitzende Lauren ebenso wie der Zuschauer wohl mit der Frage auseinandersetzen, was für ihn eigentlich Kunst ist und wo die Grenzen zwischen Kunst und Leben liegen. Was ist hier gespielt und was ist real?
Franco, der sich für die Rechte Homosexueller einsetzt und um dessen eigene sexuelle Orientierung sich die wildesten Gerüchte ranken, lässt Lauren am Ende des Films sagen: »Ich habe etwas gelernt, ich weiß nur nicht genau was«, und dabei einem verliebten, schwulen Pärchen vor der Kulisse eines Sonnenuntergangs nachblicken. So ähnlich ergeht es dem Zuschauer mit diesem Film auch und man fragt sich: Ist James Franco ein genialer Allround-Künstler oder ein peinlicher Scharlatan? Ein sensibler Chronist oder ein Workaholic kurz vor dem Burn-out?