Proteste gegen den Burschenschaftsball in der Wiener Hofburg

Der letzte Tanz?

Der Ball in der Wiener Hofburg ist ein alljährliches Treffen von Rechtsextremen aus ganz Europa. Dieses Jahr wurde er von der FPÖ ausgerichtet. Doch die Proteste dagegen zeigen Wirkung.

Zufrieden scheint die rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) nicht zu sein mit dem Ablauf des sogenannten Akademikerballs, der unter großen Protesten am Freitag voriger Woche in Wien stattfand. Ihr Europa-Abgeordneter Andreas Mölzer kündigte eine Strafanzeige gegen den Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl an. Mölzers Begründung: Es habe »offensichtlich Weisungen von höchster Stelle« gegeben, »die Ballbesucher den Angriffen von linksradikalen Anarchos auszusetzen«. Beim Zugang zur Hofburg, wo der Ball stattfand, war Mölzer von einem Farbbeutel getroffen worden.
Pürstls Reaktion kam postwendend. Die FPÖ scheine zu verkennen, »dass der Akademikerball seit Jahren schwere Proteste auslöst«; nur aufgrund der »hervorragenden Einsätze der Wiener Polizei« könne er überhaupt stattfinden. Grund für die Vorwürfe sei eher »die Enttäuschung über eine schwach besuchte Veranstaltung«. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich am diesjährigen Ball lediglich 780 Personenen, in früheren Jahren waren es regelmäßig 2 000 bis 3 000. Und mehr als 3 000 Menschen protestierten gegen den Ball, während die Polizei mit mehr als 1 000 Beamten und zwei Hubschraubern im Einsatz war.
Seit 60 Jahren findet Ende Januar, Anfang Februar in Wien der inzwischen auch über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) statt. Dem Dachverband WKR gehören deutschnationale, nationalliberale und rechtsextreme Wiener Burschenschaften, Corps und Landsmannschaften an, unter anderem die Wiener Burschenschaft Teutonia, die 2013 den Vorsitz im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) übernahm. Als Reaktion auf diesen »Rechtsruck« waren über 20 liberalere Burschenschaften aus dem DB ausgetreten.

Seit 1987 fand der Ball in den Festsälen der Hofburg statt, einem der repräsentativsten Gebäude Österreichs. Doch wegen der öffentlichen Kritik und der immer größer werdenden Proteste gegen die von Rechtsextremen frequentierte Veranstaltung hatte die Wiener Kongresszentrum Hofburg Betriebsges.m.b.H. den Vertrag mit dem WKR vo­riges Jahr gekündigt. Kurzzeitig sah es so aus, als würde der Ball zumindest dort nicht mehr stattfinden können. Vor dem diesjährigen Ball sprang jedoch die Wiener Landesgruppe der FPÖ ein und übernahm dessen Organisation. Er wurde in »Wiener Akademikerball« umbenannt, und trotz andauernder Kritik bekam die FPÖ als im österreichischen Parlament vertretene Partei die Hofburg als »Haus der Republik« von der Betreibergesellschaft zur Verfügung gestellt.
Die Bedeutung dieses Balls ergibt sich jedoch nicht nur aus der Tatsache, dass deutschnationale Burschenschaften in Österreich kaum gesellschaftlich marginalisiert sind, sondern auch daraus, dass sie darüber hinaus ein Verbindungsglied zwischen dem parteiförmigen Rechtsextremismus im Parlament und dem der Neonazis auf der Straße darstellen. So rekrutiert vor allem die FPÖ ihr Führungspersonal seit geraumer Zeit aus burschenschaftlichen Kreisen. Hinzu kommt, dass der Ball auch als Ort der Vernetzung für die europäische Rechte dient, wie die in den vergangenen Jahren gestiegene Präsenz internationaler Größen des Rechtsextremismus verdeutlicht. So zählten in den vergangenen Jahren Vertreterinnen und Vertreter von Parteien wie Vlaams Belang, Front National, Dänischer Volkspartei, Schweizer Volkspartei, Pro Köln und Pro NRW zu den Gästen. Die internationale Beteiligung ist vor allem auf die erfolgreiche Kommunikation von Andreas Mölzer auf europaweiter Ebene zurückzuführen.
Für Aufregung hatte dieses Jahr der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache gesorgt. Er sagte seine Teilnahme am Akademikerball ab, da er »im Urlaub« sei. Rückzieher dieser Art sind für ihn nicht neu, wenn die Kritik zu heftig wird. Obgleich als »Gedenkredner« angekündigt, hatte Strache 2011 seine Teilnahme am »Heldengedenken« am 8. Mai abgesagt, wegen eines »wichtigen Auslandstermins« zur Vernetzung der europäischen Rechten in Italien, von dem außer der FPÖ niemand wusste. Mölzer machte damals in seiner rechtsextremen Wochenzeitung Zur Zeit deutlich, was er von Straches Absage hielt: Sie würde nur »jene zeitgeistigen Wortspender und Mundwerksburschen, die sich im Vorfeld maßlos empört hatten, mit Triumph erfüllen«. Strache versucht derzeit, sich als Kandidat für das Kanzleramt als staatsmännisch und regierungsfähig zu inszenieren. Bilder, die ihn in den Medien zusammen mit Ewiggestrigen zeigen, kommen schließlich nicht einmal mehr beim rechten Mainstream gut an. Ein für seinen Humor bekannter Reporter des ORF führte noch einen weiteren Grund für die Absage an. Wenige Tage vor dem »Akademikerball« twitterte Armin Wolf: »Ein Studium wäre sich bis dahin wohl auch kaum mehr ausgegangen.« Strache hat als Zahntechniker keinen akademischen Abschluss und ist auch »nur« Mitglied in einer sogenannten pennalen Verbindung, was ihm den Kampf ausschließlich mit stumpfen Säbeln erlaubt. Dennoch bleibt die Frage, ob wegen Straches Absage auch seine Bündnispartner, etwa die deutschen Pro-Bewegungen, dem diesjährigen Ball fernblieben. Stattdessen zog der Ball dieses Jahr mehr Kameraden aus einschlägigen deutschnationalen Kreisen an.

Obwohl es regelmäßig seit 2008 autonom organisierte Proteste gegen die Veranstaltung gibt, hatte der Ball vor allem im vergangenen Jahr für große Aufregung gesorgt, da er ausgerechnet am 27. Januar stattfand, dem Tag der Befreiung von Auschwitz und des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Erstmals bildete sich im vorigen Jahr auch ein bürgerliches Protestbündnis unter dem Namen »Jetzt Zeichen setzen!«, das zu einer Gedenkkundgebung am Heldenplatz vor der Hofburg aufrief. An die 10 000 Menschen waren es im vorigen, dieses Jahr beteiligten sich etwa 3 000 Menschen an den Kundgebungen, Demonstrationen und Blockaden gegen den Ball. Neben dem bürgerlichen Bündnis hatten erneut die trotzkistisch-sozialistische »Offensive gegen rechts« und das autonome Bündnis »No WKR« zu Demonstrationen aufgerufen.
Die FPÖ hatte für dieses Jahr nicht nur die Organisation des Balls übernommen, sondern auch für die gleiche Zeit zu drei eigenen Kundgebungen aufgerufen, unter anderem gegen die seit November 2012 in Wien stattfindenden selbstorganisierten Flüchtlingsproteste. Wenngleich diese Kundgebungen kurzfristig abgesagt wurden, hatten einzelne Politikerinnen und Politiker der FPÖ seit Wochen versucht, eine Verbindung zwischen den Demonstrationen gegen den Ball und den Flüchtlingsprotesten zu konstruieren. Einige Medien suggerierten Ähnliches. So wurde nicht nur von angeblich aus Deutschland anreisenden »gewaltbereiten Anarchisten« berichtet, von denen eine »größtmögliche Eskalation« ausgehe, sondern insbesondere gegen einen der wenigen namentlich bekannten Flüchtlingsaktivisten gehetzt. In der österreichischen Tageszeitung Kurier war etwa zwei Tage vor dem Ball zu lesen: »Eine zentrale Rolle soll der Asyl-Aktionist Hans-Georg E. aus Bayern spielen. Das ist jener Mann, der im November mit dem Megaphon im Flüchtlingslager Traiskirchen Asylwerber zu einem Protestmarsch nach Wien überredete und vor der Votivkirche ein Protestcamp errichtete. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass der Asylbewerbermarsch Teil einer Operation gegen den Akademikerball war.« Das Protestcamp, das inzwischen geräumt wurde, habe »als Aufmarschbasis gegen den Ball dienen sollen«.
Trotz alledem ist die Bilanz der Proteste auch in diesem Jahr positiv. Der starke Rückgang der Besucherzahlen des Balls dürfte der lauten öffentlichen Kritik und den erfolgreich verlaufenen Blockaden zu verdanken sein.