Fresh meat

Binse ist, dass die Gerichte der gut- und schlechtbürgerlichen Küche Formen des Resterecyclings sind: Gleich ob Eintopf, Sülze oder Arme Ritter, alles war darauf ausgerichtet, in Zeiten des Mangels die Abfälle der ein, zwei vollwertigen Mahlzeiten, die man sich im Monat leistete, auf die übrigen Tage zu verteilen und sie dabei haltbar zu machen. Neu ist, dass der Müll von gestern zum Fertiggericht von heute gerät. Die Bratmaxe, Currykings und Schnitzelsnacks, mit denen die Fleischfabriken die Regale vollstellen, sind luftdicht verpackter Proteinschrott, künstlich Vorgekautes, industriell Hochgewürgtes, artifiziell erzeugter Ausschuss. Der neueste brechreizerregende Einfall: Verzehrfertige Buletten in Plastikdosen, als »Mühlenfrikadellen« von der Rügenwalder Knochenmühle mit dem abscheulichen Marktschrei »Essen ist fertig!« angepriesen. »Ideal für zwischendurch und unterwegs« seien die Schlachtabfälle, und im Fernsehspot ruft Jörg Pilawa zur Musik von Simon & Garfunkel badende Kinder zum Picknick, die sich heißhungrig auf die Müllfrikadellen stürzen. Rügenwalder warb früher mit Großmama, Heuernte und Buchenrauch; heute reicht es, auf wiederverschließbare Dosen hinzuweisen. Schnitzel für den Toaster, Rouladen für die Mikrowelle – war Fleischkonsum nach dem Krieg noch Ausweis von Wohlstand und wiederhergestellter Zivilisation, wollen sich die Leute heute noch nicht einmal die Wurst selber aufschneiden; statt dessen möchte man fug- und widerstandslos an die Fleischbrei-Pipelines der Tötungsindustrie angeschlossen werden. Pilawa wird ihn noch für uns schlürfen, den Smoothie auf Schweinebratenbasis; das hocheffiziente Pork-Erlebnis für aufgehörte Menschen und solche, die es werden wollen. Geschieht ihm recht.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.