Monchi von Feine Sahne Fischfilet im Gespräch über Nazis, Blockaden und Menschenketten

»Sachsen ist herausragend scheiße«

Die Punk-Band »Feine Sahne Fischfilet« aus Rostock und Greifswald wurde im vorigen Jahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, nachdem der Verfassungsschutz sich in seinem Bericht ausführlich mit ihr beschäftigt hatte, weil sie »linksextremistisch« sei. Die Jungle World sprach mit dem Sänger Jan »Monchi« Gorkow.
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Unter den Erstunterzeichnern des Aufrufs »Nicht lange fackeln – Nazis blockieren!« findet sich neben Konstantin Wecker, Sebastian Krumbiegel und der Herrnhuter Brüdergemeinde auch der Name eurer Band. Wieso ruft ihr zur Blockade auf?
Weil es wichtig ist. Dank der Erfolge der Kampagne »Dresden Nazifrei« ist es ja auch grade in, zu blockieren und dazu aufzurufen, und es ist auch ein gutes Mittel geworden, größeren Naziaufmärschen zu begegnen. Ohne das Blockadekonzept wäre es wohl nicht möglich gewesen, den größten Naziaufmarsch Europas zu stoppen. Noch vor ein paar Jahren sind da mehrere tausend Nazis marschiert und man stand am Rand und konnte nichts machen. Darum haben wir die Blockaden auch schon in den letzten Jahren unterstützt.
Werdet ihr Euch denn selbst auch an den Blockaden beteiligen?
Ja klar. Wir sehen uns auf den Blockaden!
Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern hat im letzten Bericht eurer Band mehr Platz gewidmet als dem NSU. Ihr seid angeblich ›gewaltbefürwortend‹ und ›gewaltbereit‹. Wer muss vor euch Angst haben?
Es ist ja nicht so, dass wir andauernd immer nur ’nen Harten schieben wollen und Leute einschüchtern. Wer sich nur über Gewalt definiert, ist peinlich. Damit können wir uns nicht identifizieren. Aber das heißt nicht, dass wir Hippies sind. Wir werden nicht die sein, die den Nazis Rosen auf den Weg streuen. Wir finden es wichtig, sich ihnen in den Weg zu stellen und kontinuierlich gegen Nazis zu arbeiten.
Die Erwähnung im VS-Bericht hat Euch ja zu einiger Bekanntheit verholfen, habt ihr seitdem bei Konzerten öfter Ärger mit Nazis?
Jedenfalls haben wir nicht weniger Stress, weil wir im Spiegel waren. Die Nazis finden uns immer noch scheiße und wir die auch. Wenn wir Konzerte in Mecklenburg-Vorpommern spielen, ist das immer damit verbunden, dass wir uns selber um einen Schutz kümmern. Auf die Polizei verlassen wir uns da nicht. Wir wurden ja schon sehr häufig von Nazis angegriffen. Es gab Buttersäureanschläge auf Konzertorte und unseren Bandbus, aber es trifft auch schon mal Leute, die ein T-Shirt von unserer Band anhaben.
In den vergangenen Jahren hat es in Dresden neben den Blockaden gegen Nazis auch Aktionen gegen das offizielle Gedenken gegeben. Es gibt ja die Kritik, dass die breite Bündnispolitik gegen Nazis den bürgerlichen Geschichtsrevisionismus an jenem Tag nicht problematisiert oder ihn sogar unterstützt.
Auf jeden Fall ist es so, dass man nicht nur die Nazis, sondern auch dieses ganze Opfergehabe der Bürger thematisieren und problematisieren muss. Es ist aber auch wichtig, offen zu sein und mit zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammenzuarbeiten. Für mich geht es nicht nur darum, mit den Leuten zusammenzuhängen, mit denen ich 100 Prozent einer Meinung bin, sondern ich schaue, wo es Schnittmengen gibt. Und als es darum ging, den größten Naziaufmarsch Europas zu verhindern, war das der richtige Ansatz.
Aber auf dem Heidefriedhof werden auch in diesem Jahr wieder Kränze abgeworfen, um der deutschen Opfer zu gedenken, in der Frauenkirche werden die Glocken läuten und die Stadt plant ein weiteres Mahnmal für die Opfer der »alliierten Bombenangriffe«.
Es gibt natürlich eine Grenze. Ich muss jetzt nicht mit jedem Arschloch auf die Straße gehen, das behauptet, gegen Nazis zu sein, vielleicht weil die dem Standort Deutschland oder Dresden schaden. Natürlich verbindet mich auch nichts mit den Leuten, die diese Menschenkette machen und sich dann feiern, sie hätten den Naziaufmarsch verhindert, was de facto nicht der Fall ist, denn das waren die Leute, die blockiert haben. Ich finde es auch gut und wichtig, wenn diese Aktion auf dem Heidefriedhof kritisch begleitet und auch gestört wird. Dieses Rumgeopfer ebnet den Nazis ja erst den Weg.
Der Berliner Antifaschist Tim wurde kürzlich ohne Beweise zu einer Haftstrafe von 22 Monaten verurteilt, weil er am 13. Februar 2011 eine Menschenmenge aufgewiegelt haben soll …
Ja, megakrass! Das Urteil soll der Einschüchterung dienen. Wir denken, das muss man unbedingt skandalisieren, auch angesichts der Tatsache, dass schon so lange versucht wird, die antifaschistischen Aktivitäten in Dresden zu kriminalisieren. Ich hoffe, dass die Leute trotzdem auf die Straße gehen, jetzt erst recht.
Sagen dieses Urteil, die jährliche Repression gegen Antifas und der Umgang der Stadt Dresden mit dem Gedenken etwas über eine spezifische gesellschaftliche Situation im Osten aus?
Ich will da kein Bundesland und keine Stadt freisprechen, aber ich glaube nicht, dass es nur spezifisch mit dem Osten zu tun hat, sondern vor allem mit Sachsen. Da gibt es ja eine krasse Kontinuität, dass Leute angegangen werden, die sich gegen Nazis einsetzen. Die werden scheinbar als das eigentliche Problem betrachtet und nicht die Nazis. Sachsen ist herausragend scheiße, herausragend krass. Demnächst gibt’s ja auch noch das Verfahren gegen den Pfarrer Lothar König. Da gibt’s so viele Sachen, die man fast nicht glauben kann, wenn man das von außerhalb betrachtet. In Sachsen ist die Kriminalisierung von Antifaschisten eben kein Einzelfall, sondern ganz grundsätzlich gewollt. Es ist darum elementar wichtig, dass antifaschistische Arbeit nicht bei dem Kampf gegen Nazis aufhört, sondern auch solche Zustände wie in Sachsen anspricht.