Avant-Garage

Hat die überhaupt noch jemand auf dem Schirm? Nein? Fehler! Zugegeben, die Veröffentlichungspolitik der Band um David Thomas war spätestens ab 1983 etwas eigenwillig, forderte vom Fan viel Aufmerksamkeit, doch 2013 präsentieren sich Pere Ubu in ausgezeichneter Form. Von wegen »And Then Nothing Happened« (Songtitel): Hier passiert beinahe schon zu viel. Während die Gitarre im Hintergrund ihren Free-Form-Job macht, irrlichtern im Vordergrund analoge Synthesizer vor wuchtigem Schlagzeug. Auch David Thomas’ unverkennbar hohe Stimme wird gern als Sound, als Instrument eingesetzt. Dafür leistet sich Thomas ein paar schräge Scherze, wenn er gleich zu Beginn aus Anita Wards Disco-Kracher »Ring My Bell« ein schlieriges »You Can Go to Hell« macht und später sogar The Chambers Brothers ins Spiel bringt. Immer wieder scheinen die Songs auf halber Strecke in einem ocean of electronics unterzugehen, in Wirklichkeit aber erweisen sie sich als ausgesprochen zählebig.
So viel Blubbern und Fiepen war in der windschiefen Avant-Garage von Pere Ubu lange nicht mehr zu hören. Captain Beefheart, das ist sicher, hätte an »Lady from Shanghai« ­seine Freude gehabt. Auf halber Strecke heißt es dann noch »Musicians are Scum«, so gewinnt am Schluss mit »The Carpenter Sun« die sonische Textur endgültig die Oberhand. Man muss lange zurückdenken, wann man die Band auf Albumlänge derart inspiriert und konzentriert gehört hat. Im 37. Jahr so wertvoll wie lange nicht mehr: Pere Ubu aus Cleveland, Ohio.

Pere Ubu: Lady from Shanghai. Fire Records/Cargo