Fiat lux

Wer möchte sie nicht loswerden, die Drahtverhaue auf den Nasen, die ­juckenden Plastikschalen auf der Hornhaut? Wer möchte, um mit der Werbung zu sprechen, nicht »endlich klar sehen«? In den Großstädten trommeln die auf Laserbehandlung spezialisierten Augenkliniken mit der immergleichen Botschaft auf die Sehnerven der Kurzsichtigen ein: »So einfach wie nie« steht auf den Werbeschildern in Bussen, »Einfach besser sehen« in der U-Bahn, und, wie um den Myopen noch einmal zu verhöhnen, meist in besonders großer Schrift, in grellen Kontrasten. Die Brutalität des Eingriffs, dessen langfristige Folgen auf die Gesundheit des Auges von der Wissenschaft noch gar nicht abgeschätzt werden können, steht in krassem Widerspruch zum Fast-Food-Charakter der Reklame. Die Operation wird als Petitesse abgetan, vergleichbar dem Friseurbesuch; eine einfache medizinische Notwendigkeit, der sich zu widersetzen von Mangel an Erleuchtung zeugt. Technologisch ist der Schnitt in die Hornhaut Routine; und wer nie die Klagen der Gelaserten gehört hat, von Blendungseffekten in der Dämmerung und weiter bestehender Fehlsichtigkeit, der mag den Weg ins Laserlicht leichten Herzens gehen. Denn das Heilsversprechen ist im Grunde ein religiöses; die Aggressivität der Werbung, mit ihren strahlenden Regenbogenhäuten und den leuchtend blauen Himmeln, ideologisch der von Scientology vergleichbar: Bisher gingest du in der Dunkelheit, doch ein einziger Lichtblitz aus unserem Maschinenpark wird dein Leben heller machen; du wirst die Schöpfung so sehen, wie sie gemeint war, wie Gott sie sieht – was natürlich Quatsch ist. Denn Gott trägt bekanntlich nun mal Brille. Da sind sich alle Fachleute einig.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.