Die traurige Regel

Aus allen Richtungen strömten sie nach München, erfolgreich blockierten sie die Überholspuren und umliegende Autobahnraststätten. 71 000 Menschen kamen am Samstag zum Derby FC Bayern gegen 1. FC Nürnberg. Die gesellschaftlichen Prioritäten sind klar: Die 21 bundesweit organisierten Busse zur am selben Tag stattfindenen Demonstration zum Auftakt des NSU-Prozesses fielen da kaum auf. Doch nicht etwa das Verkehrschaos sorgte dafür, dass die seit 20 Jahren größte antirassistische Demonstration in München mit einstündiger Verspätung begann. Es war die Kontrolle und Festnahme mehrerer der fast 10 000 Demonstrationsteilnehmer, weil sie gegen die Residenzpflicht verstoßen hätten. An Rassismus hat Deutschland eben einiges zu bieten. Im Mittelpunkt der Demonstration stand aber die Empörung über das symptomatische staatliche Versagen bei der Prävention sowie der Aufklärung von Verbrechen mit neonazistischem Hintergrund. Wobei betont wurde, dass der Umgang mit den NSU-Morden keine Ausnahme, sondern eine traurige Regel sei und die »Pannen« des »Staatsschutzes« strukturellen Charakter hätten. Keine festen Blöcke, sondern drei Lautsprecherwagen sollten die politischen Ausrichtungen der Demonstrierenden grob strukturieren. Nicht alle hielten sich dran, wollten oder konnten sich nicht eindeutig Antifa/Antira, Internationalisten bzw. Parteien und anderen Organisationen zuordnen. Zahlenmäßig überwogen linksradikale Gruppen, die mit Transparenten und Schildern gegen das Fahnenmeer der Parteien und Gewerkschaften anhielten. Die große mediale Öffentlichkeit – sogar ein türkisches Nachrichtenteam konnte nicht an der Berichterstattung gehindert werden – und beim Stadion randalierende Fußballfans sorgten dafür, dass sich die Polizei für bayerische Verhältnisse erstaunlich zurückhielt. Leider war auch die Teilnahme der deutschen »Durchschnittsbevölkerung« zurückhaltend.