Ich und mein Pony

Sie müssen nur noch zwei Jahre und vier Monate durchhalten, dann, ab August 2015, sollen sie 8,50 Euro pro Arbeitsstunde erhalten. Ein Wahnsinn! Und Grund genug, ihnen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen: den Friseuren.
Früher schnitten sie Haare, zogen Zähne, behandelten Knochenbrüche und Wunden, so lange, bis sich der Beruf Arzt herausbildete und ihnen diese Aufgaben wegnahm. Wer unter zu viel Respekt vor seinem Arzt leidet, braucht nur daran denken, dass der im Mittelalter nur ein Barbier gewesen wäre.
Man muss bei der Beobachtung zwischen männlichen und weiblichen Friseuren unterscheiden. Weit über 90 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, doch die fristen meist ein recht ärmliches Dasein. Zwar ist fast jeder froh, eine Friseurin als Freundin zu haben, aber nur weil es so praktisch ist. »Kannst du mal eben meinen Pony schneiden? Geht doch auch ganz schnell. Sonst müsste ich zum Friseur und da kostet das fünf Euro. Zeigst du mir diese neue Flechtmethode? Hast du einen Tipp, wie aus diesen Flusen wieder Haare werden können?« Solche »Bitten« kennen alle Friseurinnen aus ihrer Freizeit und natürlich haben sie ständig Kamm und Schere dabei, denn nichts tun sie lieber, als unentgeltlich zu helfen. Heimlich aber wird über sie gelästert: Wie kann man sich nur einen solchen Beruf aussuchen? Die ist wohl zu dumm, etwas Richtiges zu machen. Armes Ding, verdient doch nichts. Die Rache der Friseurinnen aber ist grausam: Lange war ihre vernichtendste Waffe die Dauerwelle, heute wird mit asymetrischen Schnitten und zweifarbigen Frisuren geschossen, unten schwarz, an den Spitzen blond oder lila.
Ist die Friseurin ein Mann, sieht die Sache ganz anders aus. Entweder wird sie berühmt und reich und revolutioniert das Gewerbe wie Vidal Sasson oder sie wird zumindest bewundert. Männer, die sich mit Haaren und damit mit Mode und Schönheit beschäftigen, finden die meisten irgendwie cool. Männliche Friseurinnen können sich Unverschämtheiten herausnehmen, die frau Frauen nicht durchgehen lassen würde. »Dieses Blond, das geht ja gaaar nicht.« »Mit über 40 machen lange Haare noch älter«, oder auch: »Welcher Verbrecher hat dir bloß diesen Schnitt verpasst?« Dafür setzt es keine Ohrfeigen, im Gegenteil, viele Frauen freuen sich, so beleidigt zu werden, weil gleichzeitig Aussicht auf Besserung versprochen wird. »Komm morgen schnell in meinen Salon, du musst doch wieder halbwegs aussehen wie ein Mensch.«
Gar nicht zum Friseur zu gehen, ist übrigens überhaupt keine Lösung, das habe ich nach einigen Recherchegängen durch Kreuzbergs Straßen eindeutig festgestellt. Ein dickes Trinkgeld hilft der Branche und der Schönheit der Welt schon eher. Also Kohle raus und ab zum Haareschneiden.