Kalter Grusel

Meist sind Vergleiche von Platten mit Orten wenig aussagekräftig, aber in diesem Fall ergibt die Sache Sinn. Vier Jahre nach ihrem vorangegangenen Album liefern Wolf Eyes mehr denn je den perfekten Soundtrack zu den entvölkerten Industriebrachen der Zombiestadt Detroit, wo sich in einer Fabrikruine »The Destroy Compound« befindet, das Studio der Band. Wolf Eyes leiteten den Boom experimenteller Noise-Musik ein, der seit Anfang des Jahrtausends eine schier unüberschaubare Zahl an Bands und Releases (allein ca. 1 000 gehen auf die Kappe des Wolf-Eyes-Kollektivs) hervor- und Wolf Eyes gar einen Deal mit Sub Pop eingebracht hat. »No Answer: Lower Floors« ist also beinah ein kleines Comeback und zeigt die Musik der Band ruhiger und konturierter denn zuvor. Der blanke Horror ist kaltem Grusel gewichen, statt harscher Krach-Attacken sind die neuen Songs reduzierter, klingen zugleich offener und konzentrierter. Über einem Fundament aus rudimentären Beats und Zweiton-Synthesizer-Melodien pfeifen Feedbacks, flächige Gitarren, knarzige Synthesizer und John Olsons Saxophon-Drones durch den Raum. Nate Young brüllt dazu weniger, als dem Hörer vielmehr mit bester No-Future-Attitude ins Ohr zu nölen. Endzeit – das ist jetzt, sagt diese Platte. Und man fragt sich bald, ob es nicht wirklich unheimlicher ist, dass die Dinge einem hier nicht (mehr) um die Ohren fliegen, denn unter der Oberfläche kocht es nach wie vor. Damit ist »No Answer: Lower Floors« dann auch so etwas wie die Musik zur Zeit.

Wolf Eyes: »No Answer: Lower Floors« (De Stijl ­Records)