Niebels Nashorn
Erfolg sieht anders aus: Leere Besucherbänke vor der großen Tribüne am Berliner Hauptbahnhof, einsame Informationsstände bei Dauerregen, zahlreiche weiße Redner, deren Vorträge mit Darbietungen afrikanischer Künstler untermalt werden, und Protestierende, die während Dirk Niebels (FDP) Rede ins Bild laufen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) präsentierte am 25. Mai in der ganzen Republik das entwicklungspolitische Engagement, insbesondere das der Ehrenamtlichen, der Kommunen, Unternehmen und der Nichtregierungsorganisationen. Unter dem Motto »Dein Engagement. Unsere Zukunft« fand im Wahljahr in allen 16 Bundesländern der Erste Deutsche Entwicklungstag (DET) statt. Das BMZ ließ sich die Sache knapp drei Millionen Euro kosten.
Nicht nur die mangelnden Mitentscheidungsmöglichkeiten verärgerten viele entwicklungspolitische Organisationen. Auch der immense finanzielle Aufwand für den DET wurde kritisiert und ließ Fragen nach dem Sinn und der Verhältnismäßigkeit laut werden. Die Kosten entsprechen mehr als einem Drittel dessen, was das BMZ der Zivilgesellschaft jährlich für die entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stellt. Nach dem Willen des BMZ sollen Bürger von nun an den Deutschen Entwicklungstag jedes Jahr feiern. Programmatischer Schwerpunkt war diesmal der afrikanische Kontinent. Der 50. Jahrestag der Gründung der Afrikanischen Union sei als Datum der Veranstaltung gewählt worden, um einen »spannenden Rahmen und Auftakt zu setzen«, so das BMZ.
Gerade diese Verknüpfung kritisiert der Afrika-Rat, der Dachverband der afrikanischen Vereine und Initiativen in Berlin-Brandenburg. Ausgerechnet in diesem Jahr, in dem in aller Welt das 50jährige Bestehen der Afrikanischen Einheit gefeiert werde, habe das BMZ entschieden, unreflektiert sich selbst und andere Akteure zu feiern. Er weist darauf hin, dass sich kurz nach der Erlangung der Unabhängigkeit mehrerer Länder 32 Staatschefs aus Afrika in Addis Abeba trafen, um die Organisation der afrikanischen Einheit zu gründen. Mit diesem Schritt wollten sie die auf der Berliner Konferenz von 1884/1885 beschlossene Aufteilung überwinden und den Weg zur Einheit Afrikas ebnen, so der Afrika-Rat. In vielen afrikanischen Ländern ist dieser Tag ein arbeitsfreier Feiertag, auch im Ausland feiert die afrikanische Diaspora den in der »internationalen Gemeinschaft« als Afrika-Tag anerkannten 25. Mai.
Bundesminister Niebel habe sich für das Amt disqualifiziert, der Verein fordert seinen Rücktritt und eine Entschuldigung. Für Ärger sorgte nicht nur das Datum des Deutschen Entwicklungstags, sondern auch eine Plakatkampagne aus dem Hause des Gebirgsjägermützenträgers und des World Wide Fund for Nature (WWF). Das Plakat »The Big Five! Neue deutsche Entwicklungszusammenarbeit« zeigt den afrikanischen Kontinent, auf dem fünf Tiere – Elefant, Löwe, Büffel, Leopard und Nashorn – zu sehen sind. Neben jedem Tier steht eine Zielvorgabe wie etwa »Armut bekämpfen – Wachstum fördern«, »Rohstoffe sichern – nachhaltig wirtschaften« oder »Artenvielfalt erhalten – Kaza besuchen«. Auf dem Plakat sind nur Tiere zu sehen. Wiederholt werde auf koloniale rassistische Klischees zurückgegriffen, wenn es um die Darstellung Afrikas geht, so der Afrika-Rat. Mit dem menschenverachtenden Plakat und dieser Bildsprache habe das BMZ die jahrzehntelange Arbeit von Migrantenvereinen und entwicklungspolitischen Netzwerken zum Abbau vom Rassismus gegen Afrikaner und schwarze Menschen zunichte gemacht, sagt das Vorstandsmitglied Famson Akinola. Ähnlich sehen das auch andere Initiativen. »Diese Kampagne ist respektlos und absolut inakzeptabel«, so Lawrence Oduro-Sarpong von Afric Avenir International. »Die Bundesregierung reduziert einen Kontinent mit über einer Milliarde Menschen auf einen Nationalpark für wilde Tiere. Damit knüpft sie nahtlos an den in der Kolonialzeit konstruierten Gegensatz von europäischer ›Kultur‹ und ›Zivilisation‹ versus afrikanischer ›Natur‹ und ›Wildnis‹ an.«