Will Aliens nicht mit Belanglosigkeiten belästigen

Und danke für den Kitsch

Wer uns unbedingt zum Gespött der Galaxis machen will, möge seine schon auf der Erde überflüssigen Botschaften in den Weltraum senden. Interesse werden allenfalls Aliens zeigen, die sich für Reality Soaps begeistern.

»Erde, auch Terra, Planet der Unterbelichteten und Blaue Kugel des Horrors genannt. Für Wesen mit geringen Ansprüchen kann diese Welt als gerade noch bewohnbar gelten. Überwiegend von Wasser bedeckt. Große Teile der Landfläche werden von einer vormodernen Zivilisation beansprucht und verunstaltet. Reisewarnung: Die intergalaktische Kommission rät dringend von einer Landung ab, da die Eingeborenen unberechenbar sind und zur Gewalttätigkeit neigen. Mehrere Reisende sind auf der Erde spurlos verschwunden. Überdies werden von Wesen, die den abergläubischen Terranern nicht bekannt sind, oft seltsame Dienstleistungen (Erlösung, Hilfe in Stammesfehden etc.) verlangt.«
So könnte der unseren Planeten betreffende Eintrag im Reiseführer »Lonely Galaxy« aussehen. Jedenfalls sollten wir uns nichts vormachen. Man weiß in unserer kosmischen Nachbarschaft bereits viel zu viel über uns. In diesen Tagen kommt bei den Aliens von Regulus in einer Entfernung von 77 Lichtjahren Adolf Hitlers Fernsehrede zur Eröffnung der Olympischen Spiele an. Was wird so ein Außerirdischer wohl denken, wenn er dann die Lone-Signal-Botschaft »Lead us to a new world order« liest? Überdies war es unserem Ruf in der Galaxis gewiss nicht zuträglich, dass 1947 die außerirdischen Touristen in Roswell umgehend seziert wurden. Der in Lone-Signal-Botschaften häufig geäußerte Wunsch, von Aliens mitgenommen zu werden, wird daher unerfüllt bleiben.
Denn was würde geschehen, wenn Erdlinge zu anderen Planeten reisen könnten? »Abscheu
auf Alpha Centauri: Terraner feiern sogenannten Junggesellenabschied«, »Erste Abschiebungen seit Äonen: Erdlinge Brüderle und Berlusconi müssen Aldebaran verlassen«, »Intergalaktischer Rat warnt: Kaufen Sie keine Finanzderivate von Terranern!«, »Gefahr von der Erde: Alles über al-Qaida auf Sirius auf unseren Thema-Seiten« – so würden die Schlagzeilen im Interstellar Observer wohl aussehen. Auf dem Mars können wir nicht mehr viel kaputtmachen. Dem Rest des Universums sollten wir unsere Präsenz hingegen vorerst ersparen.

Daher muss man den Initiatoren des Lone-Signal-Projekts dankbar sein. Denn sollten in den Jahrzehnten nach dem Vorfall in Roswell Zweifel an der Notwendigkeit aufgekommen sein, jeden Kontakt mit der Erde zu vermeiden, werden sie nun beseitigt. Selbst die meisten derer, die nun Aliens mit ihrem Spam belästigen, würden wohl nicht auf die Idee kommen, sich bei ihrem nächsten Besuch im Ausland dem erstbesten Passanten vor die Füße zu werfen und »Erlöse mich« zu flehen. Aber gegenüber Außerirdischen kennt man offenbar keinerlei Schamgefühl. Diese unterwürfige Bettelei um Führung dürfte ausreichenden Widerwillen erregen.
Gewiss, es gibt auch andere Anliegen, hin und wieder will jemand »Ideen und Weisheit teilen«. Teilen? Wer auf eine Bühne tritt, sollte etwas zu bieten haben, erst recht, wenn es eine so große Bühne wie das Universum ist. Sollten wir uns eine derartige Blamage nicht ersparen? Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären zu Gast in einer intergalaktischen Talkshow und müssten die Verhältnisse auf der Erde erläutern. Ich will Ihnen gar nicht zumuten, den syrischen Bürgerkrieg zu erklären. Versuchen Sie es ruhig mit etwas Einfachem wie den neuen Klimaschutzvorschriften für die europäische Autoindustrie. Na, wollen Sie immer noch Ideen und Weisheit mit den Aliens austauschen?
Wer an einem Literaturwettbewerb teilnehmen will, sollte wenigstens das Alphabet beherrschen. Wer mit Außerirdischen kommunizieren will, sollte zunächst ein akzeptables zivilisatorisches Niveau erreichen, damit die Aliens uns glauben können, dass so eine Geschichte wie damals in Ros­well nicht wieder vorkommen wird. Bis dahin müssen wir uns damit zufriedengeben, dem Rest des Universums das zu bieten, was wir bereits vor dem Lone-Signal-Projekt geboten haben: ein bizarres Unterhaltungsprogramm.

Auffällig ist ja, dass trotz der Reisewarnung ständig Ufos umherschwirren. Vermutlich handelt es sich um unbemannte Aufnahmegeräte. Es sollte jedenfalls nicht verwundern, wenn wir für die kosmische Nachbarschaft ein gewaltiger Big-Bro­ther-Container sind, der für jeden Geschmack etwas bietet. Die Splatter-Fans schauen »Syrial Killers – Season 13«, Freunde der Comedy begeistern sich für die SPD-Wahlkampfserie »Im Fettnapf«, während die Krimi-Liebhaber sich über den Start von »Snowden – um den Globus gejagt« freuen. Aber alle werden denken: »Die dunkle Seite der Macht sind sie. Besitz ergreifen sie leicht von dir.«