Antifaschistische und antirassistische Initiativen

Im Geiste der Cable Street

Die größeren antifaschistischen Initiativen in Großbritannien konzentrieren sich auf die Mobilisierung der lokalen Communities gegen rechte Gruppen. Die Immigrationspolitik der Regierung wird nur am Rande thematisiert.

Antifaschisten in Großbritannien sehen sich als Teil einer Tradition, die am 4. Oktober 1936 in der Cable Street im Osten Londons begann. Damals lieferten sich kommunistische, anarchis­tische und jüdische Antifaschisten einen erbitterten Kampf mit der Polizei, die einen Aufmarsch der British Union of Fascists durch das East End ermöglichen und schützen sollte, wo viele jüdische Migranten wohnten. Stolz beziehen sich Antirassisten heute auf dieses Ereignis, wenn sie gegen rechtsextreme Gruppen und Organisationen mobilisieren. Dies ist ganz besonders der Fall, wenn die Rechten durch den immer noch migrantisch, inzwischen vor allem muslimisch geprägten Osten Londons marschieren wollen, wie die English Defence League (EDL) am Samstag in Tower Hamlets.

»Früher haben sie Synagogen angegriffen, heute greifen sie Moscheen an«, sagte ein Sprecher von Unite Against Fascism, der größten antifaschistischen Gruppe neben der Initiative Hope not Hate. Sowohl Unite Against Fascism als auch Hope not Hate setzen auf eine Strategie der breiten Bündnisse sowie der gewaltlosen Verteidigung von Vielfalt und Multikulturalismus, die sie durch faschistische und rassistische Organisationen bedroht sehen. Dies sind, zumindest nach Meinung der beiden Gruppen, nach wie vor ganz besonders die British National Party (BNP) und die EDL. Eine Analyse der Bedeutung rechtsextremer Organisationen im gesamtgesellschaftlichen Kontext oder auch von Faschismus und Rassismus über Randgruppen hinaus findet allerdings nicht statt. Die »Go home«-Kampagne der britischen Regierung, die sich gegen »illegale« Migranten richtete, wurde entsprechend kaum thematisiert.
Unite Against Fascism steht der trotzkistischen Socialist Workers Party nahe und setzt auf ein starkes und möglichst breites Bündnis all jener, die sich dem Faschismus entgegenstellen wollen. Der Begriff des Faschismus wird sehr weit gefasst, hauptsächlich als rechtsextremer Rassismus verstanden, der sich heutzutage ganz besonders als »Islamophobie« artikuliere. Der so verstandene Faschismus wird als Bedrohung der Demokratie und des Zusammenlebens diverser Gruppen in der britischen Gesellschaft gesehen. Diese Vielfalt gelte es zu verteidigen und dies geschieht durch Bündnisse mit Gewerkschaften und Parlamentsmitgliedern, aber vor allem mit lokal betroffenen Organisationen, wie etwa Moscheen in Stadtteilen, in denen die EDL Aufmärsche plant. Muslimische Organisationen nehmen dies teilweise als Interessensvertretung wahr.
Bei der Auswahl der Bündnispartner wird ­allerdings deutlich, dass Unite Against Fascism islamistischen Ideologien unkritisch gegenübersteht. So betonte der Direktor der Ostlondoner Moschee im Aufruf von Unite against Fascism, dass es wichtig sei, Zusammenhalt zu zeigen und dass es trotz unterschiedlicher Glaubensrichtungen um »Respekt und Liebe für alle« gehe. Aber in seiner Moschee verbreiten homophobe und islamistische Prediger ihre Ansichten, darunter zum Beispiel die Befürwortung von weiblicher Genitalverstümmelung. Die regelmäßige Zusammenarbeit von Unite Against Fascism und auch der SWP mit Islamisten spiegelt ihr Verständnis wieder, dass jede Opposition zum »westlichen Imperialismus« automatisch progressiv sei.

Gesellschaftliche Vielfalt ist auch bei Hope not Hate ein wichtiges Thema, allerdings wird damit politisch sachlicher umgegangen. Hope not Hate bildete sich ursprünglich als Teil des antifaschistischen Recherche-Magazins Searchlight. Im Jahr 2011 kam es jedoch zu einer Spaltung der beiden Projekte aufgrund von »unüberbrückbaren politischen und persönlichen Differenzen«, wie es hieß. Obwohl die genauen Umstände der Spaltung – die möglicherweise mit den dogma­tischen Überzeugungen einiger Searchlight-Herausgeber zu tun hatten – unklar blieben, scheinen die politischen Differenzen unter anderem im unterschiedlichen Verständnis dessen zu liegen, mit welchen Mitteln Faschismus und Rassismus effektiv bekämpft werden können. Ähnlich wie Unite Against Fascism setzt Hope not Hate auf lokale und nationale Bündnisse. Der Schwerpunkt liegt allerdings nicht in der Bekämpfung von Faschismus, sondern in der Opposition zur »Politik des Hasses«, wie sie die BNP und die EDL vertreten. Diesem Hass soll etwas Positives entgegen gesetzt werden. Auf lokaler Ebene wird so zum Beispiel versucht, Wahlerfolge der BNP zu verhindern. Hope not Hate versteht Rassismus als Gefährdung der multikulturellen Gesellschaft durch vereinzelte, aus Hass motivierte Straftaten. Diesem Hass sei mit einer Stärkung der lokalen Communities zu begegnen.
Sowohl Unite against Fascism als auch Hope not Hate verstehen sich als antifaschistisch im Geiste der Cable Street. Während die Demonstranten in der Cable Street allerdings gegen die Polizei vorgingen, welche die Faschisten schützen wollte, sind Demonstrationen gegen Aufmärsche der EDL heute nur noch symbolische Aktionen. Weder Unite against Fascism noch Hope not Hate sind der Meinung, dass Faschisten auf der Straße bekämpft werden sollten.
Im Gegensatz zu den sonst üblichen symbolischen Protesten war die Gegendemonstration am 7. September in Tower Hamlets aber auch eine der ersten, zu der unabhängige antifaschistische Gruppen wie die London Antifascists erfolgreich mobilisieren konnten. Sie versuchten, die Polizeireihen zu durchbrechen und den ­Aufmarsch der EDL nicht nur symbolisch, sondern auch real zu verhindern. Die Polizei hat sich allerdings den neuen Gegebenheiten angepasst. Seit kurzem wird auf Demonstrationen eingekesselt. Die nach Angaben der Polizei 300 Festnahmen in Tower Hamlets, davon die meisten auf der Seite der Antifaschisten, übertrafen sogar die Anzahl der Festnahmen in der Cable Street im Jahr 1936.