Die Entscheidung ist richtig

Preis gegen die Inhumanität

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an die OPCW ist ein wichtiges Zeichen für die Ächtung aller Massenvernichtungswaffen.

Die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) begrüßt die Entscheidung des Nobelpreiskomitees, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) auszuzeichnen. Diese Organisation hat nicht nur eine bemerkenswerte und gefährliche Arbeit zur Vorbereitung der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen geleistet. Sie verbrachte die letzten 16 Jahre erfolgreich damit, die Chemiewaffenkonvention umzusetzen, das heißt, die Arsenale der Vertragsstaaten zu überprüfen und die Massenvernichtungswaffen zu vernichten. Seit Gründung der Organisation wurden 58 000 Tonnen dieser tödlichen Kampfstoffe unschädlich gemacht. Das sind etwa drei Viertel des weltweiten Bestandes.
Damit hat die OPCW in sehr praktischer Weise demonstriert, wie internationale Kooperation auf Grundlage völkerrechtsverbindlicher Verträge das Problem inhumaner Waffen effektiv lösen kann. Die Atomwaffen sind die einzigen verbliebenen Massenvernichtungswaffen, die noch nicht durch einen Vertrag verboten wurden. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch Atomwaffen wegen ihrer katastrophalen humanitären Folgen verboten und vernichtet werden. Es fehlt nur der politische Wille der Atomwaffenstaaten und ihrer Bündnispartner, nicht nur B und C zu sagen, sondern auch A.

Das Verbot von Chemiewaffen ist eine Errungenschaft der internationalen Zivilgesellschaft und der Diplomatie, ebenso wie das Verbot biologischer Waffen. Die Chemiewaffenkonvention, die 1997 in Kraft trat, haben inzwischen 190 Staaten unterzeichnet. Damit erkennen sie auch an, dass Chemiewaffen zu den inhumansten Waffen gehören, die Menschen erfunden und eingesetzt haben. Sie bewirken Krämpfe, Atemnot und Organversagen. Führt ihr Einsatz nicht zum Tod, erleiden die Opfer verheerende gesundheitliche Schäden. Zu den Folgen gehören zum Beispiel Erblindung, Hautverätzungen, schwere Lungenerkrankungen und Missbildungen von Föten. Einige chemische Waffen verseuchen die Umwelt so nachhaltig, dass die Spätfolgen für den Menschen kaum zu beziffern sind. Die Auszeichnung der OPCW steht wohl auch im Zusammenhang mit den 1 400 Opfern des Giftgasangriffes bei Ghouta nahe Damaskus. Das Ringen der USA und Russlands um die syrischen Chemiewaffen hat einen völkerrechtswidrigen US-Militäreinsatz abgewendet und der Diplomatie eine neue Chance eröffnet. Wo Völkerrechtsinstrumente bestehen, haben Alternativen zum Krieg als Mittel der Politik also eine realistische Chance.
Es gibt viele weitere tragische Beispiele für den Einsatz von Chemiewaffen. Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die USA verwendeten im Ersten Weltkrieg 125 000 Tonnen an giftigen Chemikalien. Dabei wurden 1,3 Millionen Menschen verletzt, 90 000 starben. Bei den japanischen Angriffen auf China zwischen 1936 und 1945 kamen Tausende Menschen durch chemische Waffen ums Leben. Deutschland hat Giftgas eingesetzt, um während des Zweiten Weltkriegs Millionen von Menschen in Konzentrationslagern zu töten.

Irakische Truppen verwendeten das Giftgas im Krieg gegen Iran zwischen 1983 und 1988. Hersteller eines wichtigen Teils der Produktionsanlagen war damals die hessische Firma Karl Kolb. Schätzungsweise eine Million Menschen wurden den toxischen Substanzen ausgesetzt. Das Giftgas tötete etwa 20 000 Soldaten, rund 100 000 mussten deshalb behandelt werden. Bei dem Giftgasangriff auf Halabja 1988 wurden etwa 5 000 irakische Kurden getötet. Noch heute leiden die Überlebenden im Iran unter den gesundheit­lichen Folgen.
Der Friedensnobelpreis für die OPCW unterstreicht, wie wichtig Abrüstung und das Völkerrecht für den Frieden sind, und gliedert sich ein in eine Reihe von Auszeichnungen für Abrüstungsbemühungen. Im Jahr 1985 hat die IPPNW den Friedensnobelpreis für die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Gefahren eines Atomkrieges erhalten. Die Preisverleihung an die OPCW setzt ein wichtiges politisches Signal. Der Druck auf alle Staaten, ihre Massenvernichtungswaffen zu zerstören, muss erhöht werden.

Die Autorin ist Abrüstungsexpertin der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW).