Mosambik steht möglicherweise vor einem Bürgerkrieg

Ruf nach dem Geldkoffer

Die antikommunistische Partei Renamo hat in Mosambik das Friedensabkommen mit der Regierungspartei Frelimo aufgekündigt. Beobachter bezweifeln jedoch, dass sie ihre Kriegsdrohungen wahr machen kann.

Fast hatte man sie vergessen, die einstigen antikommunistischen Kämpfer von der Resistência Nacional Moçambicana (Renamo, Mosambikanischer Nationaler Widerstand). Politisch ist in Mosambik die regierende Partei Frente de Libertação de Moçambique (Frelimo, Befreiungsfront Mosambiks) omnipräsent, die die staatliche Macht und die Wirtschaft monopolisiert. Ihre Funktionäre werden auch bei der in Kürze beginnenden Ausbeutung von Erdgasvorkommen, die 2011 vor der Küste Mosambiks gefunden wurden, finanziell nicht zu kurz kommen. Doch nun versucht auch die konkurrierende Renamo an Einfluss zu gewinnen. Ein Ziel hat sie schon erreicht: Weltweit wird so viel über Mosambik berichtet wie seit langem nicht mehr. Anfang der vergangenen Woche kündigte die Renamo den Friedensvertrag von 1992 auf, führende Vertreter der Organisation drohten damit, wieder zu den Waffen zu greifen. Vorausgegangen waren dieser Erklärung begrenzte Scharmützel zwischen der Armee und kleinen Gruppen ehemaliger Guerillakämpfer der Renamo, die unblutige Räumung eines ihrer Camps 600 Kilometer nördlich der Hauptstadt Maputo, in das sich auch der Führer der Renamo, Alfonso Dhlakama, zurückgezogen hatte, sowie ein Angriff auf eine Polizeistation. Die Attacke wurde allerdings vorher angekündigt und erfolgte zwei Stunden später als annonciert.

Das Abkommen von 1992 hatte den von 1976 bis Anfang der neunziger Jahre währenden Bürgerkrieg in Mosambik beendet. Die Kriegsgegner vereinbarten die Entwaffnung und Integration ehemaliger Kämpfer, die Eingliederung eines Teiles von ihnen in die Armee des Landes sowie die Etablierung der Renamo als politische statt militärische Organisation. Der Bürgerkrieg war ein typischer Stellvertreterkonflikt im Zeitalter des Kalten Krieges. Ihm fielen im Laufe der 16 Jahre Schätzungen zufolge eine Million Menschen zum Opfer. Kurz nach der Unabhängigkeit Mosambiks von Portugal im Jahr 1975 wurde die Renamo als verlängerter Arm des südrhodesischen Geheimdienstes gegründet, der mit ihr vor allem der Zimbabwe African National Union (Zanu) die Rückzugsgebiete nehmen wollte. Die Zanu unterhielt im westlichen Teil Mosambiks Lager und Ausbildungsstätten.
Nach dem Ende des Siedlerregimes in Südrhodesien, dem heutigen Zimbabwe, übernahm Südafrika die Rolle des Paten für die Renamo. Auch aus den USA wurden die Guerillakämpfer unterstützt. Die Frelimo, die in den frühen sech­ziger Jahren in Dar-es-Salaam, Tansania, gegründet worden war, suchte ihrerseits die Hilfe des Ostblocks und hing ideologisch dem Marxismus-Leninismus an. Die Zeitenwende von 1989 veränderte all das. Schon immer fiel es der Frelimo schwer, sich gegenüber dem Apartheidsregime in Südafrika zu behaupten, zu sehr hing man von Transportwegen und Handelsgütern des Erzfeindes ab. Als 1989 die Frelimo offiziell ihre Abkehr vom Marxismus-Leninismus als Staatsdoktrin verkündete, gab es für die Renamo und ihre Unterstützer keinen Grund mehr, den Krieg weiterzuführen. Zudem hatte der weltweite Wandel längst Südafrika selbst erfasst.
Der Wandel der Guerillaorganisation Renamo zu einer politischen Partei ist in den vergangenen 20 Jahren nicht gelungen. Noch immer beherrschten quasi-militärische Hierarchien die Renamo, und ihr Anführer Dhlakama dulde keine Konkurrenz neben sich, berichten Medien des südlichen Afrika. Auch die Wahlerfolge der Renamo bleiben bei weitem hinter den Erwartungen der Parteispitze zurück: Während 1994 noch 112 Sitze im Parlament erreicht werden konnten, bei 129 für die Frelimo, musste die Renamo sich 2009 mit 51 Sitzen zufriedengeben. Auch bei den Wahlen zum Präsidentenamt ging der Stimmenanteil der Renamo in den vergan­genen zwei Jahrzehnten stetig zurück. Das sind keine guten Aussichten für die Kommunalwahlen, die am 20. November dieses Jahres anstehen, und für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr.
»The winner takes it all« – das ist das Motto der mosambikanischen Politik. Die Frelimo verstand es, sich durch eine Mischung aus Patronage und guter Organisation auch auf dem Land als alternativlos zu präsentieren – dies in einem Staat, in dem klientelistische Beziehungen überlebenswichtig sein können. Die dadurch benachteiligte Renamo hat jedoch kein anderes Konzept anzubieten, sondern würde sich lediglich gern an den wirtschaftlichen Pfründen beteiligt sehen. Die Einkommensunterschiede in Mosambik haben sich seit dem Ende des Bürgerkrieges erheblich vergrößert. 55 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, das Land belegt den 185. Platz von 187 im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen. Doch existiert eine kleine Gruppe von Superreichen, die eng mit der politischen Führung des Landes verbunden sind und es verstehen, die wirtschaftlichen Gewinne aus dem Kohleexport, der Entwicklungshilfe und dem anstehenden Gasexport zu monopolisieren.

Viele bezweifeln jedoch, dass die dramatisch klingenden Ereignisse der vergangenen Wochen eine Rückkehr zum Krieg ankündigen. Joseph Hanlon, Senior Lecturer an der britischen Open University, kommentierte in einem Artikel für Voice of America: »Keine Seite könnte einen Krieg anzetteln. Renamo besteht aus alternden Guerilleros, die jetzt mehr als 50 oder 60 Jahre alt sind. Darüber hinaus entschied sich Mosambik nach dem Bürgerkrieg für ein sehr kleines Militär, hat also auch nicht die entscheidenden militärischen Kapazitäten.« Bisherige Berichte gehen davon aus, dass es sich bei den schätzungsweise 1 000 aktiven Kämpfern der Renamo um alte Veteranen handelt und derzeit keine neuen rekrutiert werden. Dennoch erhielt die Renamo bereits eine Warnung aus dem Nachbarland Zimbabwe. Dessen stellvertretender Verteidigungsminister Christopher Mutsvangwa ließ im Gespräch mit BBC keine Zweifel daran, dass Zimbabwe eine Destabilisierung Mosambiks nicht dulden würde. Im Notfall würden Truppen der Regionalorgani­sation Southern African Development Cooperation (SADC) dorthin entsandt.

Die Motive für die Renamo, jetzt in die Offensive zu gehen, liegen auf der Hand. Bei jeder Gelegenheit beklagen ihre Vertreter, von der politischen und vor allem der wirtschaftlichen Macht in Mosambik ausgeschlossen zu sein. Angesichts des schwindenden Zuspruchs bei Wahlen kann sich die Partei keine Hoffnungen machen, von den sieben Prozent Wirtschaftswachstum zu profitieren, die das Land derzeit verzeichnet. Für die Drohungen der Renamo hat Hanlon eine pragmatische Lösung parat: Die Partei müsse einfach eingekauft werden, so wie es in den Verhandlungen zum Abkommen, das den Bürgerkrieg beendete, bereits der Fall gewesen sei. »Ein das Gesicht wahrender Buy-off ist ein Weg vorwärts. Das wird passieren, doch nicht in der unmittelbaren Zukunft. Das wird Pfründe in Regierungsgremien betreffen, doch es wird auch Bargeld in Koffern bedeuten. So wurde der Krieg vor 21 Jahren beendet. Es ging um Geld in Koffern«, so Hanlon.
Sollte es zu einer solchen Lösung kommen, wären die Probleme, die die Renamo derzeit bereitet, allerdings nur vertagt. Der mosambikanischen Bevölkerung würde auf diese Art klar­gemacht, dass nur Gewaltdrohungen die herrschende Oligarchie dazu anhalten können, den gesellschaftlichen Reichtum zu teilen. Mittlerweile ist eine Generation herangewachsen, die den Bürgerkrieg und dessen Schrecken nur noch aus Erzählungen kennt. Irgendwann könnte der Griff zur Waffe dieser Generation erfolgversprechender erscheinen als der alltägliche Kampf um das Privileg, ausgebeutet zu werden.