Berlin Beatet Bestes. Folge 222.

Kitsch geht über Kunstkacke

Berlin Beatet Bestes. Folge 222. Aamok: Deutsches Weihnachtspotpourri (1973).

Weihnachten steht mal wieder vor der Tür und ich liebe Weihnachten. Und Weihnachtsplatten! Für Kitschfans ist Weihnachten einfach super. Überhaupt ist Kitsch die bessere Kunst. Wenn Rock ’n’ Roll, Punk und Weihnachten zusammenkommen, potenziert sich der Kitschfaktor sogar. Nur selten vermag ein Weihnachts-Punkrocksong den Weihnachtsspirit erfolgreich zu killen. »Fuck Christmas« von Fear und Pansy Divisions »Homo Christmas« sind immer noch tolle Songs. Eine ganz besonders seltsame deutsche Weihnachtssingle von der Gruppe Aamok schafft es allerdings mühelos, alles zu zerstören. In »Deutsches Weihnachtspotpourri« begleitet ein stumpf polterndes Schlagzeug einen angewidert krakeelenden Sänger durch ein fieses Medley von »Stille Nacht, heilige Nacht«, »O du Fröhliche« und »Leise rieselt der Schnee«. Es ist ein Abgesang, das Ende aller Weihnachtslieder. Nicht viel anders klang es, als Stefan Raab unlängst zwei Studiogäste »Stille Nacht, heilige Nacht« um die Wette schreien ließ. Konsequenterweise besteht »Silence in the Night« auf der B-Seite ­sogar nur aus einer Leerrille.
Diese Platte wäre eigentlich total Punk, wäre sie nicht bereits im Jahr 1973 aufgenommen worden. Eine Gruppe Aamok hat es allerdings nie gegeben, es war wohl mehr ein Arbeitstitel. Aamok war vor allem der Name eines geplanten Krautrock-Labels, an dem Conny Plank beteiligt war. Leider veröffentlichte das Label bis auf einen Promo-Sampler nie etwas. Konrad Plank schaffte es mit seiner eigenen Musik zumindest auf diese Promo-Single und zeichnete auch gleich das ebenfalls ziemlich punkige Cover. Richtig Karriere machte er als Produzent von Krautrock-Gruppen wie Guru Guru, Kraan und Cluster, auf deren Platten er auch als Mitautor genannt wird. Er produzierte unter anderem das Frühwerk von Kraftwerk und Neu!, in den Achtzigern dann DAF, Eurythmics und Ultravox. Dem Werk des bereits 1987 verstorbenen Produzenten widmete sich die im Februar 2013 auf Herbert Grönemeyers Label Grönland erschienene 4-CD-Retrospek­tive »Who’s That Man – A Tribute to Conny Plank«.
Selbstverständlich hat sich Conny Plank seine Pop-Meriten verdient, leider gebe ich bekanntermaßen nicht viel auf gute Popmusik. Sie ödet mich an. Krautrock nervt mich. Ich hatte noch nie Zeit für zehnminütige Hippierocksongs. Kraftwerk ist Kunstkacke. Gähn. DAF, Ultravox und die Eurythmics muss ich meinetwegen auch in diesem Leben nicht mehr hören. Von Heinz Rudolf Kunze und Herbert Grönemeyer ganz zu schweigen. Allerdings hat Brian Eno in Conny Planks Studio »Q: Are We Not Men?« produziert, Devos Debut-Album! Das ist zwar ein anerkannt anspruchsvolles Popalbum, aber zugegeben ein echt fetziges, das ich auch besitze. Müsste ich nur mal wieder hören. Der Online-Datenbank Discogs zufolge war der rundum coole Conny aber auch am Schnitt des Live-Albums »Der Gnubbel« von Mike Krüger beteiligt. Tada! Dafür gibt’s endlich noch Punkte auf der Trashskala.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.