Sexismus in der Gamer-Szene

Spielen ohne Spaß

In diversen Computerspielen treten Spielerinnen und Spieler online oder in lokalen Netzwerken gegeneinander an. Die E-Sport-Szene wächst, immer mehr Athleten spielen hauptberuflich. Leider reproduziert die Szene Spielregeln, die auch außerhalb gelten.

Die höchsten Preisgelder werden derzeit bei Turnieren in den sogenannten Echtzeit-Strategiespielen wie Star Craft und Star Craft 2 ausgezahlt. Die E-Sport-Szene wird professioneller, immer mehr Spieler können von der Teilnahme an Meisterschaften ihren Lebensunterhalt bestreiten. Allein während des »Defence of the Ancients 2«-Turniers, einem der großen Spiele des Genres, erhielten die erfolgreichen Teams Anfang August rund 2,1 Millionen Euro. Für das Jahr 2012 verzeichnet die Website esportsearnings.com insgesamt 668 Turniere mit einer Preissumme von über 7,3 Millionen Euro – knapp 11 000 Euro pro Turnier und 5 500 Euro pro Spielerin und Spieler. Hinzu kommen noch Gehälter aus dem Sponsoring.
Die Übertragung der Turniere im Internet eröffnet einem breiten Publikum Einblick in die Szene. Dabei zeigt sich bisweilen Verstörendes. So kam es im Jahr 2012 während des »Cross Assault«-Turniers fortlaufend zu sexuellen Belästigungen der einzig teilnehmenden Spielerin. Während ihre Mitspieler sich in Interviews zu spielspezifischen Belangen äußern sollten, musste Miranda »Super Yan« Pakozdi Fragen nach ihrem Brustumfang und ihrem Intimbereich über sich ergehen lassen. Die Belästigungen nahmen ein solches Ausmaß an, dass sich der Community-Manager der übertragenden Online-Plattform twitch.tv, Jared Rea veranlasst sah, einzugreifen. Er stellte die Frage, ob das Street-Fighter-Erlebnis auch ohne sexuelle Belästigung möglich sei. Darauf antwortete Aris Bakhtanians, Coach des Teams, in dem Miranda Pakozdi antrat, sexuelle Belästigung sei ein wesentlicher Bestandteil der Fighting Community. Pakozdi nahm die Community später in Schutz und bezeichnete die Äußerungen Bakhtanians als dessen persönliche Meinung. Sie habe Zuspruch und Unterstützung aus Teilen der Szene erfahren. Dennoch musste sie die Belästigung über mehrere Tage ertragen.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich im Juni während der Präsentation der neuesten Spielkonsole von Microsoft auf einer der größten Games-Messen der Welt. Dort trat ein Spielentwickler eines Fighting Game gegen eine Frau an, die das Spiel weniger gut beherrschte. Auf ihre Kritik an dem schlechteren Equipment, mit dem sie spielen musste, antwortete ihr Gegenspieler, sie solle die Überwältigung durch ihren Gegner einfach geschehen lassen, dann sei es bald vorbei. Das Publikum amüsierte sich hörbar über den Vergewaltigungswitz.
Diese Vorfälle stellen nur eine Auswahl des alltäglichen Sexismus dar, der Frauen, Homo- und Transsexuellen in der gesamten E-Sport-Szene entgegenschlägt. Dieses Verhalten hat nach Ansicht der Sozialwissenschaftlerin Maike Groen, die an der Universität Göttingen die Rolle von Männlichkeit im E-Sport erforscht, mehrere Gründe. Die Szene sei männlich dominiert, da eine weibliche Sozialisation bereits die Ausbildung technischer Interessen bei Frauen und ihren Eintritt in die Szene behindere. Ein weiteres Problem seien die Ausschlussmechanismen der E-Sport-Szene. »Menschen wird direkt und indirekt suggeriert, dass sie in der Szene nichts zu suchen haben. In der E-Sport-Szene funktioniert das über einen sogenannten double standard gegenüber Frauen. Im Regelfall wird davon ausgegangen, dass sie eine attention whore sei, also nur auf Aufmerksamkeit aus ist. Sie muss deshalb einen höheren Standard erfüllen, um akzeptiert zu werden«, sagte Groen der Jungle World. Sie unterstützt die These, dass die Ausgrenzung von Frauen häufig aus einer Furcht vor dem Anderen erfolgt: »Für viele Leute, die früher ›einsame‹ Nerds waren, war ihre Community ein Rückzugsraum. Leider erzeugt die Erfahrung des eigenen Ausgegrenztseins als Nerd kein Bewusstsein über strukturelle Unterdrückungs- und Herrschaftsmechanismen in der Gesellschaft.«
Groen weist darauf hin, dass sich das Bild des Nerds in der Gesellschaft inzwischen zum Positiven gewendet habe: »T. L. Taylor und andere haben in ersten Studien gezeigt, dass es eine gespaltene ›Geekpersönlichkeit‹ gibt. Zum einen den klassischen E-Sports-Athleten, der genau wie der große Baseball-Star Sex, Drugs and Rock’n’Roll nachlebt. Aber dann gibt es auch den klassischen Nerd, der das alles sehr verschämt zur Kenntnis nimmt.« Gleichzeitig inszeniere sich Männlichkeit im E-Sport jedoch stark durch Abgrenzung. »Die zentrale Bestätigung – egal ob ich an die klassische hegemoniale Männlichkeit angelegt bin oder meine Nerd-Brille trage – funktioniert über die Ablehnung von Homo, Trans und Frauen«, sagte Groen. »Dieses Phänomen geht automatisch mit der Idealisierung von Männlichkeit und Geschlechterdichotomie einher.«
Problematisch ist aber nicht nur die qualitative Dimension der sexuellen Belästigung. Groen schätzt den Umfang weit größer ein als außerhalb der Computerwelt. »Es gibt ein ganz massives Ausmaß an Hass und Gewalt, das Frauen entgegenschlägt, die sich in diese Szene wagen«, sagt Groen. »In der Shooting Community werde ich in 15 bis 45 Minuten ein bis drei Mal belästigt oder angemacht. Das geht so weit, dass sogar die eigenen Teamkollegen anfangen, einen zu erschießen, wenn sie feststellen, dass man weiblich sozialisiert ist. Sie verlieren lieber, als mit einer Frau zusammen zu spielen.«
Bei Profispielerinnen wiege dieses Problem besonders schwer. Sich gegen die Belästigungen zu wenden, könnte für sie das finanzielle Ende bedeuten. Dazu sagte Maike Groen: »Als Spielerin bist du davon abhängig, dass du von deinem Team bezahlt wirst. Aus der eigenen Marketing-Perspektive ist es tödlich, als Spielverderberin, Spießerin oder Langweilerin zu gelten.«
Es gibt jedoch auch Widerstand gegen die männliche Dominanz und die heteronormative Prägung der E-Sport-Szene. Groen begrüßt erste Zusammenschlüsse von Frauen und Homosexuellen. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn mehr große Teams gegen sexuelle Belästigung eintreten würden. Einige würden bereits hinsichtlich rassistischer und sexistischer Äußerungen ihrer Mitglieder aktiv. Dar­über hinaus sieht Groen die Spielehersteller in der Pflicht. Sie sollten sich bereits von vornherein gegen sexuelle Belästigung wenden: »Zusätzlich sollten die Spielehersteller sich bemühen, mehr Frauen in den Produktionsprozess zu bekommen. So könnte bereits zu Beginn ein multidimensionaler Ansatz entstehen.«