Friede den Lügnern

Bereits am 21. Dezember kam es wegen der heftigen Gewalteinwirkung der Polizei in Hamburg nicht zu der angemeldeten 3-in-1-Demonstration – für Solidarität mit den Lampedusa-Flüchtlingen, der Roten Flora und den Mietern der Esso-Häuser. Zweiter Versuch, vergangener Samstag: Der Widerstand will sich heute nicht einfinden, trotz viertem Punkt, der Forderung nach Aufhebung aller »Gefahrengebiete«. Ab 13 Uhr sammeln sich etwa 6 000 Demonstrierende an der Feldstraße, von der Polizei fehlt fast jede Spur, sogar die Händler des Flohmarkts haben ihre Stände aufgebaut. Gegen 14 Uhr setzt sich der Zug in Richtung Rote Flora durch das ehemalige Gefahrengebiet in Bewegung. Kurze Zwischenkundgebung, Ecke Juliusstraße: Hier wurde am 21. Dezember nach Hamburger Polizeitra­dition wild gekesselt. Angesichts dessen wirkt der heutige Spaziergang unangemessen friedlich. Der Senat gibt vor, weder Platz noch Geld für die Geflüchteten aus Lampedusa zu haben, während er ganz offensichtlich erhebliche Summen für irrwitzige Polizeieinsätze aufbringen kann. Nach Angaben des Ermittlungsausschusses wurden am 21. Dezember mehr als 500 Demonstrierende verletzt, 20 davon schwer. In den errichteten »Gefahrengebieten« herrschte anschließend 24-Stunden-Tatütata. Trotz allem verläuft die Demonstration so ruhig, dass selbst eine Kundgebung für mehr Kitaplätze als fordernder durchgehen dürfte. Und das, wo doch bekannt ist, dass der Hamburger Senat stillen Protest einfach nicht versteht. Irgendwann biegt der geisterhafte Zug auf die Reeperbahn. Die Sonne lacht, die am Rande stehenden Polizisten haben ein Lächeln aufgesetzt und ihre Helme unter den Arm geklemmt. Vor der Davidwache ertönen dann doch einige verhaltene Rufe: »Lügner, Lügner!« Wenigstens die in Schill-Blau gekleidete Reiterstaffel bleibt authentisch und blickt streng vom Ross. Um 16 Uhr endet der lahme Umzug schließlich mit einer Abschlusskundgebung vor den Esso-Häusern.