Rechtsextreme Rocker in Mecklenburg-Vorpommern

Werwölfe auf Motorrädern

Der Motorradclub Schwarze Schar rekrutierte sich überwiegend aus Nazis. Nach seinem Verbot durch den Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern verlieren die rechtsextremen Rocker zwar ihren Club, aber wahrscheinlich nicht ihre Geschäftsgrundlage.

So ganz konnte sich Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den Anflug eines Lächelns nicht verkneifen. Der Moderator des »Nordmagazins« des NDR hatte ihn gefragt, ob er an den Ausstieg der Rocker der Schwarzen Schar aus der Neonaziszene glaube. Kurz zuvor, am Morgen des 8. Januar, hatten 175 Beamte der Polizei eine Verbotsverfügung des Innenministers gegen die Rockergruppe durchgesetzt. Im kleinen Ort Gägelow, in der Nähe von Wismar, hatten sie das Clubhaus »Der Schwarze Herzog« und allerlei Vereinsinventar beschlagnahmt. Der NDR zeigte Bilder von zum Teil vermummten Polizisten, die die mit den Vereinsinsignien versehene Tabledance-Platte des Clubs und Barhocker aus dem Clubhaus tragen, das Clubschild demontieren und alles in einen LKW verladen.

Neben dem eigentlichen Motorradclub (MC) Schwarze Schar, der jedoch bereits seit dem Sommer »eingefroren« ist, wie es bis vor kurzem noch auf der Website des Clubs hieß, sind auch die Supporter-Clubs MC Schwarze Jäger und »S 19 Trupp« nun verboten. Auch der erst im Sommer gegründete MC Schwarze Schar Nomads Europe ist von dem Verbot betroffen. Mit der Umbenennung wollten die Rocker offenbar einem Verbot zuvorkommen, nachdem Christian G., ein Neonazi und Mitglied des MC Schwarze Schar, im Juni 2013 auf dem Hagenower Stadtfest auf einen Besucher eingestochen und einen zweiten niedergeschlagen hatte. Auslöser sollen Bemerkungen der beiden über Christian G.s Kutte gewesen sein. Diese Tat wird von den Ermittlungsbehörden stets prominent herausgestellt, wenn es um das Verbot geht. Die Neonazivergangenheit des Clubs und seiner Mitglieder habe für die Verbotsentscheidung jedoch keine Rolle gespielt, merkte Minister Caffier im Fernsehinterview an.
Noch 2011 hätten etwa 20 Prozent der Delikte, die Mitgliedern des Clubs zugeordnet wurden, einen politischen Hintergrund gehabt, berichtet die Journalistin Andrea Röpke unter Berufung auf Erkenntnisse der Behörden. Philip Schlaffer, bis zum Verbot Präsident des MC Schwarze Schar, war jahrelang eine Führungsperson der gewalttätigen Neonaziszene Wismars. Mit der Kameradschaft »Werwölfe Wismar« betrieb er unter anderem das immer noch bestehende Tattoo-Studio »Needle of Pain« sowie den Szeneladen Werwolf-Shop und unterhielt die Wohngemeinschaft »Wolfshöhle II« in der Wismarer Innenstadt.
Aus dem Werwolf-Shop heraus versuchten Schlaffer und weitere Neonazis 2006 eine antifaschistische Demonstration mit Baseballschlägern anzugreifen. Polizisten mussten die aggressiven Nazis mit entsicherten Dienstwaffen zurückhalten, ein Video des Angriffs erlangte im Internet einige Berühmtheit. 2007 löste sich die Kameradschaft offiziell auf, nachdem Personen aus dem Umfeld der »Werwölfe« auf einer Privatfeier in der Silvesternacht einen ihrer Kameraden erst stundenlang geschlagen und getreten hatten, um ihn später zu erstechen.
In einer Internetreportage des Magazins Vice sprechen Mitglieder des MC Schwarze Schar ganz offen darüber, wie der Mord damals ihre Szene verändert habe, aber auch davon, dass die Zeit bei den »Werwölfen« eine »gute Schule« gewesen sei. Ihre Nazitattoos tragen sie weiterhin mit sichtlichem Stolz.

Neben Präsident Schlaffer sind auch andere Neonazis in der Schwarzen Schar zu Rang und Namen gekommen. Sebastian Kairies, bis zum Verbot Vizepräsident des Clubs, ist Tätowierer im »Needle of Pain«, die Domain der Motorradclubs war auf seinen Namen registriert. Er war zusammen mit Schlaffer zugegen, als die Polizisten Insignien des Clubs vom Gelände entfernten. Auch Norman P. und Richard S. sind alte »Kameraden« aus Zeiten der »Werwölfe«. In der Dokumentation von Vice zeigt S. bereitwillig seine Tätowierungen: Ein Arm ist voller Weltkriegsmotive, inklusive der »HK-Fahne«, wie er sie nennt, auf dem anderen Arm steht der Schriftzug »Werwolf« in einer Wolfsangel.
Bei den »Schwarzen Jägern« sieht es nicht anders aus. Den Aussagen örtlicher Antifaschisten zufolge rekrutieren sich die Mitglieder der »Schwarzen Jäger« vornehmlich aus den Reihen einer Nazischlägertruppe namens »Division Krembs«. Das mittlerweile verstorbene Mitglied Rene R. sorgte im Mai, post mortem, für einen Skandal in der Region. Der kurz vor seinem Tod aus dem Gefängnis entlassene Anhänger von Dynamo Schwerin wurde bei einem Auswärtsspiel in Gadebusch von Fans beider Mannschaften mit einer Schweigeminute geehrt.
Verbindungen zu Nazis sind in Wismar jedoch kein zwingender Grund, gesellschaftlich isoliert zu werden. Im Gegenteil: Der MC Schwarze Schar hatte beispielsweise beste Kontakte zu Ines Raum. Sie war Sprecherin des CDU-Stadtverbands und Beisitzerin im Vorstand. Seit Kritik daran laut wurde, lässt sie beide Ämter ruhen. Die Unternehmerin war mit einem Mitglied der Schwarzen Schar liiert, druckte mit ihrem Verlag Flyer für den Werwolf-Shop und lieh dem Club 90 000 Euro in bar zum Erwerb des »Schwarzen Herzogs«. Von den Umtrieben ihres damaligen Partners und dessen Freunden wusste sie. Sie gehe aber davon aus, dass »Menschen auch eine Chance haben müssen«, sagte sie kürzlich dem NDR. Als die Rückzahlungen für das Darlehen immer häufiger ausblieben, wandte sie sich an Schlaffer, doch offenbar ohne Erfolg. Denn am Ende fanden sich beide Seiten vor Gericht wieder. Die Auseinandersetzung endete mit einem Vergleich, über Einzelheiten ist nichts bekannt.
In dem Streit ließ sich Schlaffer von dem Rechtsanwalt Sven Rathjens aus Pölchow bei Rostock vertreten. Dieser hat häufig Mandanten aus Rocker- und Nazikreisen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er als Verteidiger des Neonazis Dennis Franke im sogenannten Pölchow-Prozess bekannt. Darüber hinaus tritt der Anwalt, der sein Geschäft unter der Bezeichnung »Bikerkanzlei« betreibt, immer wieder medienwirksam im Zusammenhang mit Wohltätigkeitskampagnen auf, zum Beispiel anlässlich einer nötigen Stammzellentransplantation für einen an Leukämie erkrankten Jungen.

Auf Facebook bezeichnet sich Rathjens als Anwalt der örtlichen Charter der Hells Angels und des Red Devils MC sowie des MC Schwarze Schar und MC Schwarze Jäger. Sollten sich letztere dazu durchringen, juristisch gegen ihr Verbot vorzugehen, wolle er »notwendigenfalls bis zum EuGH« klagen, ließ Rathjens auf Facebook wissen. Möglicherweise wird das Verbot also angefochten. Angesichts des Geflechts an Firmen, an denen die Schwarze Schar zumindest beteiligt gewesen sein soll und das bisher unangetastet blieb, werden die Rocker wohl auch ohne den Club nicht verarmen.