Talmi

Verboten

In Zukunft wird es immer schwieriger, über Werbung als öffentliches Ereignis zu sprechen. Je stärker Anzeigenwerbung personalisiert wird, um­so mehr wird sie sich in einen bösen Zwilling unseres Unbewussten verwandeln – privat wie ein Traum, peinlich wie eine seltsame erotische Vorliebe. Schon jetzt lässt sich kaum sagen, ob auch andere derzeit so penetrant für Anabolika und Muskelaufbau gewonnen werden sollen wie der klopsige Verfasser dieser Zeilen. Noch ist der Algorithmus nicht ausgereift: Wenn jemand, der schon in der sechsten Klasse fest entschlossen war, sich mit allen nur denkbaren Lügen, Tricks und Attesten für den Rest seines Lebens der Menschheitsverschwendung namens Fitness zu entziehen, irrtümlich als Zielgruppe für Schönheitsdrogen erkannt wurde, muss es wohl anderen auch so ergehen. Die Trümpfe der neueren Werbewelle: brutalisiertes Deutsch, der Flirt mit der Illegalität, vor allem aber schockierte Ärzte: »Zweistufige Supplement-Combo beschleunigt Muskelwachstum – Soll man sie verbieten?« heißt es da, oder: »Botox-Ärzte sind empört! Besser als Botox!« bzw. »Botox-Ärzte wollen diese neue Anti-Falten-Creme verbieten lassen.« Werbe-Ärzte, bis in die Achtziger noch Vertreter von Seriosität und Anstand, sind jetzt nur mehr zum Schockieren da – von Dr. Best zum wütenden Faltenpfuscher war es ein weiter Weg. Wo heute jeder Partyvogel sich mit Vitaminpillen aus dem Supermarkt und Gesundheitstipps von gutefrage.net zum Kräuterweiblein stilisiert, wo auch gebildete Leute dem mörderischen Irrsinn der Impfgegner verfallen, sind sie rein negative Autorität, als Mittelsmänner von Staat und Kapital abgeschrieben. Ob’s anderen Berufen auch so ergeht? »Anwälte schockiert: Recht bekommen mit der alten Pistolen-Methode« – bald auch in Ihrer Timeline.