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Für Gesprächsstoff in einigen Redaktionsräumen hat diese Woche der Mord an Marius gesorgt. Nein, nicht dieser schreckliche Müller-Westernhagen, das würde kaum jemanden interessieren, sondern der erst zweijährige, niedlich gefleckte Däne mit großen Augen und blauer Zunge: das Giraffenkind aus dem Kopenhagener Zoo. Wegen Inzuchtgefahr – Sie wissen schon, Ödipus und so – musste er geschlachtet werden. Das Fleisch ging dann an die Löwen, so etwas Feines dürften die wohl nie wieder ins Maul bekommen. Sehr traurig fanden das hier einige der armen Giraffe wegen, den Löwen wurde es durchaus gegönnt. Ein Redakteur hatte sich sogar als Adoptivvater für Marius angeboten. Es sei sowieso sein Traum, einen riesigen Park mit riesigem Haus mittendrin zu besitzen, gestand er. Im zweiten Stock gäbe es dann ein Café mit schönem Ausblick, wo die Giraffen vorbeischreiten würden und gefüttert werden könnten. Von wegen Revolution – hier gibt es ganz schlichte Träume. Marius wird nun wohl nicht mehr im Park des Kollegen weilen können. Der Kopenhagener Zoodirektor, der den giraffischen Genpool durch menschliche Auslese sauber halten wollte, erhielt sogar Morddrohungen, liest man. Das ist auch wieder traurig. Wahrscheinlich schrieben die Giraffenfanatikerinnen und -fanatiker ihre Drohungen mit dem Wurstbrot in einer Hand, während sie im Ledersessel sitzend immer wieder auf ihre Hirschgeweihe an der Wand hochblickten, um innezuhalten und nach treffenderen Wutworten zu suchen. Ob die Hersteller der »Deutschländer«-Würstchen ebenso Morddrohungen erhalten, weil sie arme Schweinchen verwursten und dann auch noch so nationalistisch? Aber mit solcherlei Relativierungen à la »Was ist eine kleine Giraffe gegen abertausende Hähnchen, die den Broilertod sterben müssen?« darf man hier ja gar nicht um die Ecke kommen, sonst gibts gleich eins mit der Anti-Veggie-Keule übergezogen. Es wird jedoch gemunkelt, dass ein karnivorer Kollege kürzlich eine vegetarische Woche eingelegt habe. Aus Solidarität mit inzuchtgefährdeten Zoogiraffen? Es geht hier aber nicht immer nur traurig und erhaben zu. Kürzlich ließ lautes Gelächter aus dem Lektoratsbüro die Vorübergehenden aufschrecken. Ein Lektor hatte eine so lustige E-Mail erhalten, dass er ein kleines Kaffee-Feuerwerk verursachte. Den Inhalt der Nachricht gab er leider nicht bekannt, obwohl etwas Erheiterndes einigen sicher über den Schmerz wegen Marius’ Tod hinweggeholfen hätte. Doch heiter wird es sicher auch in der nächsten Dschungelbar am 28. Februar im Berliner »Laidak«. Da geht es um »The Mamas & the Papas. Reproduktion, Pop und widerspenstige Verhältnisse«. Garantiert ohne tote Giraffenkinder! Und ohne Inzucht.