Zensur und Einschüchterung von kritischen Journalisten

Zielscheibe Journalist

Nicht nur die Zensur im Netz, die durch das neue Internetgesetz noch einmal ­verstärkt wurde, beschneidet die Meinungsfreiheit in der Türkei, auch die ­Arbeit von Journalisten wird immer häu­figer behindert.
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Die Organisation Reporter ohne Grenzen, die jedes Jahr eine Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht, führt in diesem Jahr die Türkei auf Platz 154 von insgesamt 180 Plätzen, noch hinter Irak und China. Reporter ohne Grenzen kritisiert, dass bei den Gezi-Protesten im vorigen Jahr 153 Journalisten verletzt und 39 vorübergehend festgenommen worden seien. »Zugleich offenbarten die Proteste ein Klima der Selbstzensur, das durch wirtschaftliche und politische Interessen wichtiger Medieneigentümer begünstigt wird«, schreibt die NGO in ihrem Bericht. Mindestens 14 Journalisten seien infolge der Proteste entlassen worden. Ende 2013 saßen etwa 60 Journalisten in türkischen Gefängnissen ein.
In der vorigen Ausgabe berichtete die Jungle World ausführlich über den wachsenden Druck auf Medienschaffende in der Türkei. Womöglich war es reiner Zufall, dass unsere Autorin Sabine Küper-Büsch kurz nach ihren Recherchen für einen Beitrag für die ARD zum selben Thema ausgeraubt wurde. Nicht nur sie selbst hegt daran jedoch arge Zweifel.
In der Nacht zum Freitag vor zwei Wochen waren um kurz vor sieben Uhr morgens mehrere Personen in ihr Büro eingebrochen, das sich direkt neben ihren Wohnräumen befindet. 30 bis 40 Kilo Kommunikationsmittel wurden innerhalb weniger Minuten beiseite geschafft, darunter sämtliche Computer und Kameras. »Das ist eine logistische Leistung, denn wir wohnen auf einem Hügel in einer Sackgasse«, meint Küper-Büsch. Geld, Schmuck und andere Wertsachen ließen die Diebe hingegen liegen.
»Normale Diebe wären ziemlich dumm, so ein hohes Risiko einzugehen, nur um kiloweise gebrauchte Geräte zu stehlen«, so unsere Korrespondentin. Die Polizei zeigt sich wenig ermittlungsfreudig. Die Überwachungskameras, die in der Nachbarschaft hängen, waren auch eine Woche nach dem Vorfall noch nicht ausgewertet worden. Küper-Büsch betont, dass das alles natürlich Zufall sein könnte und nichts mit ihren kritischen Recherchen zu tun haben muss. Doch tatsächlich spricht wenig dafür, dass es sich um einen einfachen Bereicherungseinbruch gehandelt hat.
Mit der Pressezensur in der Türkei hat sich kürzlich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigt. Der Gerichtshof verurteilte die türkische Regierung dazu, Schadens­ersatz in Höhe von 13 500 Euro an sechs Herausgeber, Chefredakteure und Journalisten zu zahlen. Den betroffenen Medien hatten türkische Gerichte unter dem Vorwand, Propaganda für illegale kurdische Organisationen zu betreiben, Veröffentlichungsverbote von bis zu einem Monat auferlegt.

Der Gerichtshof sprach von Zensur. »Viele Journalisten in der Türkei machen weiterhin ihre Arbeit, während sie in Ungewissheit sind, wann sie dafür verhaftet werden«, sagte Özgür Mumcu, Autor der linksliberalen Zeitung Radikal, Ende Januar der Tageszeitung Die Welt. Mumcus Vater, ebenfalls Journalist, wurde vor 20 Jahren durch eine Autobombe getötet. Die Tat ist bis heute nicht restlos aufgeklärt.