Scott Hove im Gespräch über seine Skulpturen von falschen Torten

»Schmelzender Ausdruck der Anbetung«

Der Maler und Bildhauer Scott Hove lebt in San Francisco. Mit seinen Skulpturen ironisiert er die nordamerikanische Waffenkultur und die Fetischisierung des Konsums. Für seine Torten­plastiken verwendet er traditionelle Konditorenspritzen und japanische Schnitzmesser. Bei der Arbeit hört er gerne friedliche hawaiianische Gesänge, persische Musik oder Death Metal.

Sie schaffen raumgroße Seilinstallationen, die wie Hummerfallen oder Spinnennetze aussehen, und Tortenskulpturen, die Sie mit Waffen, Raubtiergebissen oder Blutstropfen garnieren. Wann haben Sie damit angefangen und warum arbeiten Sie ausgerechnet mit Seilen und Torten?
Als ich begann, mich für Kunst zu interessieren, war ich etwa zehn Jahre alt. Seit der Higschool war mir klar, dass die Kunst mein Leben sein würde, dass ich mich niemals mehr wirklich für etwas anderes interessieren würde. Ich habe nur etwa ein Jahr Kunst studiert; an der Universität fand ich einfach nicht, wonach ich suchte. Deshalb begann ich damit, mir die Kunst selbst zu erschließen.
Angefangen habe ich mit Zeichnungen, dann beschäftigte ich mich stärker mit der Malerei und erst viel später, in meinen Mittzwanzigern, ging ich zur Arbeit mit weichen plastischen Materialien über, Materialen, die sich gut schnitzen ließen, zum Beispiel weiches Holz, und fertigte kleinere Skulpturen an. Mit der Zeit erschien mir die Malerei nicht mehr geeignet für die Art der Kunsterfahrung, die mich wirklich interessierte.
Es ging mir darum, dreidimensionale, raumgreifende Installationen zu schaffen, die Wohnräumen nachempfunden und wie ein Haus begehbar sind. Aus diesem Grund begann ich, in großen lagerhausartigen Wohnungen zu leben, in denen ich genug Platz hatte, um mit Immersionskunst zu experimentieren, etwa mit den Seilinstallationen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Torten zu gestalten?
Mit den falschen Torten begann ich 2005. Ich hatte schon lange vorher Kunstessen gesammelt, weil ich fasziniert von dem Teil des Gehirns bin, der auf Hunger reagiert. Da aber die meisten künstlichen Lebensmittel, vor allem die Torten, nicht besonders gut aussahen, die Kirschen zum Beispiel sahen viel zu unecht aus, wollte ich selber künstliche Torten dekorieren, die besser und echter wirkten; und es klappte.
Irgendwann merkte ich, dass ich mit dieser Tortendekorationstechnik noch etwas anderes schaffen konnte; doch am Anfang waren meine Torten weniger finster als die, die ich heute mache. Die Leute reagierten zum Beispiel verstört auf meine düsteren Bilder und Wandmalereien, anders war es mit den Torten.
Denkt man an Torten, so kommen einem Gartenpartys, Sommertage, Kindergeburtstage, Ballons und Hochzeiten in den Sinn. Ihre Torten aber haben Zähne, Hörner, die an wilde Ochsen erinnern, sie bluten aus Wunden oder sind mit Waffen verziert. Warum?
Mit dem Konzept bedrohlicher, aber immer noch schöner Torten versuche ich die Behaglichkeit des bourgeoisen Wunsches nach Sicherheit zu zerstören, indem ich auf die ihm zugrunde liegende Angst verweise. Die Behaglichkeit der amerikanischen Gesellschaft lastet auf den Schultern vieler Menschen, die davon ausgeschlossen bleiben. Diese Sicherheit hat hier also immer eine dunkle Seite, wie auch die Schönheit immer eine düstere Seite hat.
In meine ersten Torten integrierte ich keine anderen Elemente, sie waren einfach nur schön anzuschauen; diese Arbeiten hatten etwas Passives, sie waren nicht dynamisch aufgeladen. Das war einfach nur künstliches Essen. Indem ich den Torten Elemente des Unheimlichen hinzufügte, machte ich die Geschichte, die sie erzählen sollten, wahrhaftiger und die Torten wurden in einen größeren Zusammenhang gestellt.
Eine Ihrer Ausstellungen hat den Titel »Guns and Ecstasy«. Reflektieren Ihre mit Waffen verzierten Torten die Ekstase der amerikanischen Waffenkultur, oder geht es hier um den halluzinatorischen Blick, den Ihre Torten provozieren?
Beides. Der Titel der Ausstellung sollte ambivalent sein. Zum Beispiel habe ich diesen Unendlichkeitsraum gebaut, der einem ein Gefühl von Ekstase verschafft, die man vielleicht auch von Ecstasy kennt. Wenn jemand meine Räume auf Ecstasy betritt, dann würde er oder sie eine Wahnsinnserfahrung machen. Es geht nicht viel higher als das.
Aber der Titel ist auch eine Anspielung auf die Ekstase der Waffensammler und Waffenbefürworter in Amerika. Diese Leute haben ein ekstatisches, anbetendes Verhältnis zu Tötungsmaschinen, das völlig absurd ist, und despektierlich denjenigen gegenüber, die der Legalisierung von Waffen eher vorsichtig begegnen und der ganzen Waffenkultur eher verhalten gegenüberstehen.
Sowohl Ihre Waffentorten als auch Ihre Schuh­skulpturen lassen an Kulturfetische denken. Lässt sich die Fetischisierung der Torten mit derjenigen der Waffensammler in Verbindung setzten?
Für viele Waffensammler sind Schusswaffen persönliche Fetische. Mit meinen Torten versuche ich dieses Begehren zu thematisieren und den fetischisierten Gehalt sichtbar und dekorativ werden zu lassen.
Beim Betrachten Ihrer Tortenskulpturen kommen mir verschiedenen Begriffe in den Sinn. Wir sprachen bereits über »Angst«, »Bürgerlichkeit«, »Ekstase«, »Fetisch«. Was ist mit »Paranoia«?
Waffensammler sind paranoid, und ich kann manchmal ihre Argumente nachvollziehen. Ich selber besitze auch Waffen, denn ich war selbst einmal Opfer von Waffengewalt und habe das Gefühl, durch eigene Waffen sicherer zu sein. Ich trage also meine eigene Paranoia mit mir herum und habe Angst vor dem Ende der Zivilisation, solche Dinge eben.
Sind die Waffentorten ein Versuch, Gewalt zu neutralisieren, so etwas wie eine utopische Vision von Gewaltlosigkeit?
Wenn man Waffen aus Torten macht, macht man sie weicher. Die Waffe ist nicht mehr aus Stahl und die ihr inhärente Gewalt wird neu­tralisiert. Die Waffe wird dysfunktional, unbrauchbar.
Sie lösen die Dinge aus ihrem Kontext und lenken die Aufmerksamkeit damit auch auf die Materialität dieser Dinge.
Dieses Displacement ist sehr wichtig, denn darum geht es auch bei dem Fertigen von Skulpturen, um die Schaffung neuer Materialitäten oder darum, die Vorstellungen davon zu zerstören.
Die Titel Ihrer Werke klingen nach Horrorfilmen: »Self Slice« und »Babies First Nightmare«. Eine Torte mit der Aufschrift »Congratulations Bashar al-Assad« hat den Titel »Hubris Party«. Eine mit der Aufschrift »Best Wishes, Los Zetas« verzierte Torte trägt den Titel »Blame the Mexicans«. Sind Ihre Arbeiten politisch?
Manche Torten sind ein politisches Statement; mir gefällt einfach die Idee, dass ein schöner, harmloser Kuchen eine ernste und düstere Nachricht enthalten kann. Der Titel »Blame the Mexicans« zum Beispiel ist eine Anspielung auf amerikanisches Konsumdenken. Ich wuchs in Marine County auf der anderen Seite der San Francisco Bay auf. Das ist eine Nachbarschaft der weißen Oberschicht. Während und nach der Highschool-Zeit haben alle viel Kokain genommen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wo es eigentlich herkam. Das Leben in Amerika ist relativ sicher vor der Gewalt der Drogenkartell-kriege. Wenn die Leute aber von Massakern oder Köpfungen im Drogenkrieg lesen, dann machen sie aus ihrer Sphäre der Gemütlichkeit heraus die Mexikaner dafür verantwortlich, so abgefuckt zu sein, und geben ihnen die Schuld an unserem Drogenkonsum. Amerikaner schimpfen gerne über die »Scheiß-Mexikaner«, weil sie ihren eigenen »Scheiß« nicht regeln könnten. Wir konsumieren einfach nur.
Manche Kreationen ähneln mexikanischen Schreinen.
Der mexikanische Künstler José Clemete Orozco ist meine größte Inspiration, sein Werk ist voller Gewalt und Schönheit. Überhaupt haben mexikanische Traditionen einen riesigen Einfluss auf das, was ich tue. Der »Day of the Dead« zum Beispiel feiert den Tod in einer Weise, tröstend, humorvoll und mit Leichtigkeit, die der nordamerikanischen Kultur fremd ist. Ich möchte mit meiner Kunst, vor allem mit meinen Schreinen, diese heitere Perspektive auf den Tod einbeziehen. Als Kind lebte ich neben einem Friedhof, auf dem ich oft spazieren ging und zwischen den Gräbern nach Knochen suchte, das fanden die Nachbarn seltsam. Ich habe mich also in der Nähe der Todeskultur nie wirklich unwohl gefühlt, eben wie die alten mexikanischen Kulturen.
Auf den Schreinskulpturen findet sich künstliches Gemüse und Pflanzen, in den Torten Elemente wilder Tiere, in Ihrem unendlichen Raum hängen künstliche Blätter von Decken und Wänden. Welche Rolle spielt die Natur in Ihrer Kunst?
Mir ist die Natur auf zweierlei Weise wichtig. Zum einen, wie sie sich als archaisches Element in der mexikanisch-katholischen Kultur reli­giöser Anbetung niederschlägt. Dann habe ich selbst eine enge Verbindung zur Natur. Ein paar Mal im Jahr gehe ich an entlegene Orte in der Natur, um dort selbst Tier zu werden, und mich daran zu erinnern, woher mein Menschsein rührt. Denn Menschsein bedeutet, der Natur zu entspringen und nicht der Zivilisation.
Ein fast Rousseauscher Gedanke.
Ja. Und dann bewundere ich die Kultur der griechischen Antike, die Art und Weise, wie sich die Menschen innerhalb des Kosmos und der Natur platzierten, und die Idee der Interferenz der Götter in menschliche Angelegenheiten. Vor allem die Kunst der griechischen Antike ist beispiellos; die Filigranität des Goldschmucks und die Großflächigkeit und Detailtreue der Skulpturen sind spektakulär, der Naturalismus unübertroffen.
Ein bisschen spiegeln sich alle drei Naturvorstellungen in meinen Torten, die feinen Linien, der Einbruch des Archaischen, das Tierhafte.
Die Zähne und Hörner der Torten erinnern an Trophäen und an die Jagd, die Seilinstallationen an Spinnennetze, Labyrinthe und Fischfallen. Greift Ihre Kunst das Motiv des Gefangenseins auf?
Die Zähne auf meinen Torten visualisieren die Angst des Schönen vor dem Konsumiertwerden, die Angst, gegessen und einverleibt zu werden. Ganz so, wie sich etwa ein wildes Tier in seiner Falle wehrt. Meine Kunst ist die Allegorie einer Flüchtigkeit, die wir niemals ganz fassen können, und einer Schönheit, die sich beim Betrachten immer schon entzieht. Gleichzeitig ist meine Kunst, eben wie eine Torte, schmelzender Ausdruck der Anbetung.