Talmi

Übler Geruch 2

Die Welt ist überaus kompliziert, wird einem eingeredet, und was wirklich falsch läuft, sei von Menschenwitz nicht zu ermessen, also brauche man es auch nicht zu versuchen. Mag sein, dass wir alle nur Körnerlein im Mahlwerk der Geschichte sind, doch bei besonders harten Brocken bleibt dieses auch manchmal ganz kurz stehen, nimmt Anlauf und stolpert weiter. So angesichts des Artikels aus dem Hamburger Abendblatt, den mir ein Freund ­zusandte: Ein geplantes Benefizkonzert des Rappers Cro war wegen zu hoher Nachfrage abgesagt worden und das Blatt schloss den zugehörigen Artikel mit dem gewaltigen, wie eine alles verschlingende Supernova erstrahlenden Satz: »Hip-Hop-Star Cro wollte mit dem Umsonst-Gig in der Hamburger Fischauktionshalle eine Friedenskampagne von Axe unterstützen.« Wie rieben wir uns die Augen, geblendet von so viel Unsinn, Dünkel und Aberwitz! Nicht nur ist fast alles an diesem Satz gelogen, man kann ihn direkt riechen: das ranzige Odeur der Fischhalle, den penetranten Plastikgeruch des Sprühparfüms, den typischen Gig-Gestank nach billigem Bier und menschlichen Ausdünstungen, schließlich den irgendwie maskulin-ochsenmäßig dampfenden Rapper selber, der sich, seinen Fans und einer völlig gedankenfreien Presse vormachen will, er oder Axe hätten ernsthaft vorgehabt, in irgendeiner Weise für den Frieden einzutreten – und nicht einen von zweieinhalb Agenturen ausgeheckten Publicity-Stunt zu produzieren. Nicht, dass irgendjemand wirklich dran glaubte: Der Zynismus der Konzertbesucher ist exakt der des Agenturfrettchens; beide wissen, dass nur Spinner und Naivlinge an Frieden glauben. So verhöhnt jeder jeden, der Rapper traut seinem Publikum den Friedenswillen so wenig zu wie es ihm, und am Ende ist alles, alles nur Gestank.