Obsessive ­Aufklärung

Nachts flackert Licht in dem verfallenen Hinterhaus und ein Schatten huscht über die Treppe. Jane fühlt sich von der Düsternis, die das Haus ausstrahlt, angezogen. Sie ist schwanger und gerade von London zu ihrer Partnerin nach Berlin gezogen. Im trüben November versucht sie, sich in der Stadt einzuleben, doch es fällt ihr schwer. Sie kennt kaum jemanden, beherrscht die Sprache nur schlecht und ist viel alleine, weil ihre Freundin arbeitet.
Als sie einen heftigen Streit zwischen ihrem Nachbarn und seiner 13jährigen Tochter hört und wenig später im Gesicht des Mädchens blaue Flecken sieht, vermutet sie einen Missbrauch. Statt wegzuschauen, mischt sie sich ein und will helfen. Aus Helfenwollen wird bald Beschützen – um jeden Preis.
Die britische Autorin Louise Welsh erzählt ruhig und lässt uns in einer immer bedrückenderen Atmosphäre die Gefühle und Gedanken ihrer Protagonistin miterleben, verweigert aber eine Bewertung ihres Handelns. Immer tiefer werden wir in Janes Welt hineingezogen.
Als Jane erfährt, dass die Mutter der 13jährigen vor vielen Jahren spurlos verschwunden ist, versucht sie herauszufinden, was passiert ist, und geht dabei zunehmend obsessiv vor. Doch statt Beweisen findet sie nur Indizien und stellt Vermutungen an. Ein beklemmendes Gefühl bleibt: Irgendetwas stimmt hier nicht.
Und das Ende ist echt fies.

Louise Welsh: Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar. Aus dem Englischen von Astrid Gravert. Verlag Antje Kunstmann, Berlin, 19,95 Euro,275 Seiten