Kehr-Arbeit

In unserem Haus leben 15 Menschen. Im Hof stehen für uns zwei schwarze, eine blaue, eine braune, eine gelbe und eine orange Mülltonne zur Befüllung bereit. Jeden Tag bekommt unser Haus Besuch von den Müllmännern der BSR. Und wenn sie da sind, kann es niemand überhören. Sie unterhalten sich nur schreiend, erst über die Straße hinweg, dann durch den Hausflur, sie knallen die Tonnen mit Karacho über die Stufen, die Fahrzeuge stehen grundsätzlich mit laufendem Motor rum und sie pflegen das, was man als Berliner Schnauze kennt. Ihre Arbeitskleidung ist nicht unbedingt schick. Orange steht nicht jedem und gerade die nur bis zum Knie reichende Sommertracht ist … schwierig. Ein Männerbein sieht ja höchstens bis zum 30. Lebensjahr gut aus. Wenn der Besitzer Glück hat. Und Westen sollte wirklich niemand tragen dürfen.
Es gibt also eigentlich viele Gründe, von der BSR mindestens so genervt zu sein wie von jungen Müttern. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir lieben sie, jeder springt sofort fast glücklich zur Seite, wenn hinter ihm die Reinigungsmaschine für die Gehwege heranbraust. Sogar die, die sich sonst jedem Rollstuhl, jedem Kinderwagen in den Weg stellen. Das Image der BSR könnte kaum besser sein, keine andere Berufsgruppe wird in der Stadt so verehrt.
Da fragt man sich natürlich, wie das sein kann. Liegt es nur an der grandiosen und vielfach ausgezeichneten Kampagne, an dieses lustige »We kehr for you« und »Saturday-Night-Feger«? Diese Kampagne, deren Erfinder 2012 bei einem Verkehrsunfall gestorben ist, hat sogar Einzug in die Schulbücher gehalten. Schüler setzen sich bei dem Thema: »Wie funktioniert Werbung?« damit auseinander. Besser kann ein Unternehmen eigentlich nicht dastehen. Was ist aus dem geächteten, müffelnden, faulen und obendrein auch oft noch ausländischen, also extrem unbeliebten Straßenfeger geworden? Früher war es eine beliebte Drohung von Eltern: »Wenn du weiter so faul bist, landest du bei der Müllabfuhr!« Heute sind Eltern glücklich, wenn das Kind bei der BSR unterkommt. Das ist fast so schön, wie wenn der Sprössling Arzt oder Pilot wird.
Auch unter den Arbeitnehmern ist die BSR extrem beliebt. Die Löhne sind gut, die Frauenquote wird kontinuierlich erhöht, Arbeitszeiten sind an die Kita-Öffnungen angepasst, individuelle Bedürfnisse werden berücksichtigt, die Kinder fahren ins BSR-Ferienlager, sogar die Reduzierung von ehemals 7 400 auf 5 300 Mitarbeiter ging ohne betriebliche Kündigungen vonstatten.
Es ist fast unheimlich, wie gut die BSR bei Kunden und Mitarbeitern abschneidet. Das kann doch nicht sein, da muss doch irgendetwas zu finden sein! Und richtig, einen Wermutstropfen gibt es: Das betriebseigene BSR-Orchester und das Freizeitheim wurden nämlich abgewickelt. Na bitte, wusst’ ichs doch!