Eine Koch-Show mit veganen Nazis auf Youtube

Käsekuchen aus Neuschwabenland

In einer Online-Sendung kochen deutsche Nazis mit veganen Zutaten aus dem Abfallcontainer. Das mutet grotesk an, ist angesichts der Ideologie des »Heimatschutzes« aber konsequent.

Auch wenn sie es selbst oft lieber »Weltnetz« nennen, wissen Nazis um die Bedeutung des Internet für Propagandazwecke. Der jüngste Versuch von Personen aus diesem Milieu, sich im Web eine neue Nische zu erschließen, ist auf den ersten Blick allerdings ziemlich bizarr geraten. »Ba­laclava-Küche« ist der Titel dieses Versuchs, es handelt sich nach Angaben der Macher um die erste »nationale Koch-Show« auf Youtube. In mittlerweile drei Folgen können Interessierte bestaunen, wie zwei junge Männer, die ›Balaclavas‹, also Sturmhauben tragen, verschiedene Gerichte zubereiten. Diese dürften tatsächlich das kulina­rische Niveau mancher »Vokü« um einiges übertreffen.

Was echte rechte Männer in der Küche zu suchen haben, wird allerdings nicht erklärt. Dafür erfahren die Zuschauer, dass es besser ist, Lebensmittel aus der Region und »wenn möglich auch bio« zu kaufen. »Nestlé-, Coca-Cola-, Kraft-, Unilever- und Israel-Wichse« solle stattdessen lieber im Regal bleiben. Die beiden vermummten Köche verwenden ausschließlich vegane Produkte und schwören auf das »Containern«, fischen offenbar also weggeworfene Lebensmittel aus den Mülltonnen des Lebensmittelhandels.
Auch wenn es zunächst seltsam klingt, so ist die Kombination aus Neonazismus, Veganismus und Container-Essen nicht ganz abwegig. Spätestens im Zuge der Entstehung der »Autonomen Nationalisten« vor etwa zehn Jahren begannen manche neonazistischen Kreise, sich nicht nur für neue Musikstile und politische Strategien der radikalen Linken zu interessieren, sondern auch für sonst eher bei Linken verbreitete Lebensweisen wie den Veganismus und die drogenfreie Straight-Edge-Bewegung. Für diese warb zum Beispiel die Gruppe »Media Pro Patria« im Jahr 2008 mit einem Video im Internet. Dem Veganismus verschrieben sich unter anderem die »Nationalen Sozialisten – AG Tierrecht«.
Da der extremen Rechten der Umweltschutz als »Heimatschutz« gilt, ist der Gedanke, vor allem regionale und ökologisch unbedenklich angebaute Produkte zu kaufen, ebenfalls naheliegend – zumal die Ursprünge der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland vor allem in der Lebensreformbewegung liegen, die überwiegend völkisch geprägt war. Das »Containern« ist da vielleicht einfach nur der nächste und gar nicht einmal abwegige Schritt.
Die kochenden Neonazis aus dem Internet teilen wenig über ihre Motivation mit. Anhaltspunkte für ihre mögliche Herkunft liefern sie aber. Hinter der »Balaclava-Küche« könnten junge Neonazis aus Franken zu stecken. Zumindest dürften die beiden Köche einen guten Draht dorthin haben. Die erste Folge der »Koch-Show« lief im Februar in der 70. Sendung des extrem rechten Internet-Fernsehsenders »FSN.TV«, für den – genau wie für das Internet-Radio »Radio FSN« und die in der Szene beliebte Modemarke »Ansgar Aryan« – der NPD-Funktionär Patrick Schröder aus Mantel in der Oberpfalz verantwortlich ist. Zuletzt machte Schröder Ende Mai Schlagzeilen, als ein von ihm veranstaltetes Rechtsrock-Konzert mit dem Titel »Live H8 II«, auf dem unter anderem die Bands Nahkampf aus Bremen und Sturmwehr aus dem Ruhrgebiet spielen sollten, von der bayerischen Polizei aufgelöst wurde.

Schröder ist nicht die einzige Verbindung, die zwischen den Machern der »Balaclava-Küche« und der NPD besteht. Stargast der zweiten Folge war Maria Fank aus Berlin, Vorsitzende des Landesverbandes des »Rings Nationaler Frauen« und regelmäßige Rednerin auf Kundgebungen der NPD. Ebenfalls vermummt zauberte sie in der Sendung gemeinsam mit ihren Kameraden einen »Neuschwabenland-Käsekuchen« aus dem Ofen.
Interessant sind neben den politischen Verbindungen allerdings vor allem die Einblicke, die die »Koch-Show« in den Alltag und die Lebenswelt junger Neonazis ermöglicht. Zu beachten wären da die T-Shirts, die die Köche in den Sendungen tragen. In der ersten Folge sind es burgundrote Oberteile, auf denen das Konterfei von Rudolf Hess und der Spruch »Ein Mensch ist illegal« zu sehen sind. In der zweiten Folge tragen alle Beteiligten T-Shirts mit einem Zitat aus dem Film »Falling Down«, in dem Michael Douglas einen entlassenen Mitarbeiter einer Rüstungsfirma spielt, der Amok läuft: »Ich bin krank? Willst du mal etwas Krankes sehen, dann geh doch mal durch die Stadt. Das ist krank!« In der dritten Folge sind sie mit T-Shirts des NPD-Zentrums »Haus Montag« in Pirna zu sehen, dessen Name sich nicht nur auf Guy Montag, die Hauptfigur in Ray Bradburys dystopischem Roman »Fahrenheit 451« bezieht. Auch das erste besetzte Haus der italienischen Nazi-Gruppe »Casa Pound« trug den Namen »Casa Montag«.
Auf dem Kühlschrank in der für die Aufnahmen benutzten Küche klebt gut sichtbar ein farbiges Poster, das graphisch an die »Change«-Plakate mit dem Gesicht Barack Obamas angelehnt ist. Statt des US-Präsidenten ist dort jedoch Edward Snowden abgebildet, statt »Change« wird »Asyl« gefordert – eine Forderung, mit der die Kochtruppe wohl auch bei den »Montagsdemonstrationen« gut ankommen würde. An der Wand neben dem Kühlschrank hängt ein Plakat mit einem Zitat des kolumbianischen reaktionären Philosophen Nicólas Gómez Dávila, der vor allem für seine Kritik der Moderne bekannt wurde.
Besorgniserregend hoch scheint der Koffeinverbrauch der beiden Köche zu sein. Gleich drei Kisten einer beliebten Mate-Limonade sind im Hintergrund zu sehen und auch sonst stehen Flaschen des Getränks fast überall in der Küche herum. Dem eigenen Motto, »regional und bio«, sind die beiden nicht wirklich treu. Viele der verwendeten Produkte stammen aus der Discount-Palette einer großen Supermarktkette.

Die extrem rechte Szene scheint sich jedoch eher an anderem zu stören. Auf Youtube beschwert sich der User »shitforfun« über die Verwendung von Couscous mit den Worten: »Mit deutscher Küche und Kochkunst hat diese Hühnerscheiße als Zutat absolut nichts zu tun.« Auf der Naziseite Altermedia ärgern sich manche dagegen über die Verwendung des Anglizismus »Containern«. Ein Kamerad aus Russland, der sich Alexander Slavros nennt, findet wiederum den Veganismus inakzeptabel und antwortet mit einem Video, in dem er zeigt, wie er ein Sandwich mit Bärenfleisch macht.
Andere dagegen sind hellauf begeistert. Die Jungen Nationaldemokraten Franken etwa trafen sich zum veganen Kochen, wie aus einem Eintrag auf ihrer Internetseite hervorgeht. Das habe »nicht nur Spaß gemacht, sondern es wurden – auch ohne Fleisch – alle satt«, heißt es dort. Auch die Kameradschaft »Division Franken« wies auf ihrer Internetseite auf die »Koch-Show« hin.
Die »Balaclava-Küche« ist dennoch nur ein weiterer Versuch junger Neonazis, sich selbst und ihre Weltanschauung als »hip« zu inszenieren, was auf die überwiegende Mehrheit Außenstehender jedoch grotesk wirken dürfte. Doch bei aller Absurdität gilt es zu berücksichtigen: Auch die lächerlichen Köche mit Sturmhauben bewerfen ihre politischen Gegner außerhalb des Internet sicher nicht mit Gemüse aus dem Abfallcontainer, sondern gehören zu einer gewaltbereiten Naziszene.