Neonazis im griechischen Staatsapparat

Ohne Führer auf dem rechten Weg

Die neonazistische Partei Chrysi Avgi hat sich in der griechischen Gesellschaft etabliert. Auch die Inhaftierung ihres Führungspersonals und interne Streitigkeiten können ihr nichts anhaben.

Vor drei Jahren, im Juni 2011, demonstrierten auf dem Syntagma-Platz vor dem griechischen Par­lament Hunderttausende Menschen wochenlang gegen die von den Gläubigern Griechenlands durchgesetzte Sparpolitik. Eine ihrer Hauptforderungen war die direkte Demokratie. Drei Jahre später ist die Stimmung in der griechischen Hauptstadt trübe und auf dem Syntagma-Platz sind andere Töne zu hören.
Anfang Juni sangen Anhänger der neonazistischen Partei Chrysi Avgi vor dem Parlament das Horst-Wessel-Lied in griechischer Übersetzung. Anlass war der Auftritt des Generalsekretärs Nikos Michaloliakos, und zweier Abgeordneter der Partei im Parlament. Die drei sitzen zusammen mit anderen Abgeordneten seit September im Gefängnis, da ein Mitglied von Chrysi Avgi den linken Rapper Pavlos Fyssas ermordet hatte und die kriminellen Machenschaften der Neonazis enthüllt worden waren. Nun durften sie an der Diskussion über die Aufhebung ihrer Immunität im Parlament teilnehmen.

In sehr aufgeheizter Stimmung erzählte Michaloliakos dabei unter anderem von den Annäherungsversuchen mancher Abgeordneter der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia an Chrysi Avgi. Er betonte, dass nicht nur der ehemalige Generalsekretär der Regierung, Takis Baltakos, Verbindungen mit den Neonazis unterhalten hatte. Dieser war auf einer heimlich gemachten Videoaufnahme mit dem Pressesprecher der Neonazis, Ilias Kasidiaris, zu sehen und gab dort unter anderem den Einfluss der Regierung auf die juristische Verfolgung von Mitgliedern von Chrysi Avgi zu. Einige Tage nach Bekanntwerden des Videos trat Baltakos zurück. Michaloliakos behauptete im Parlament, er selbst habe unter anderem mit Giorgos Mouroutis, dem Vorsitzenden des Pressebüros des Ministerpräsidenten, und zwei Ministern telefoniert.
Die Immunität der drei Naziparlamentarier wurde schließlich aufgehoben. Der Prozess wegen des Vorwurfs der Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wird voraussichtlich im Herbst stattfinden. Wie aus Angaben des Netzwerks für die Dokumentation von Fällen rassistischer Gewalt hervorgeht, hat sich die Zahl der rassistischen Angriffe seit der Verhaftung der Führung von Chrysi Avgi im vergangenen Herbst deutlich reduziert.
Die Streitigkeiten in der Partei haben dafür eine neue Stufe erreicht. Bei der Parlamentssitzung stellte sich Michaloliakos als Führer von Chrysi Avgi dar. Doch es ist fraglich, wie lange er das noch bleiben wird. »Es gibt einen Konflikt zwischen denen da draußen und denen da drinnen im Gefängnis«, sagt der Journalist Dimitris Psarras, der vor kurzem das Buch »Neofaschisten in Griechenland – Die Partei Chrysi Avgi« veröffentlicht hat. Pressesprecher Kasidiaris, der auf dem Arm ein dem Hakenkreuz nachempfundenes Tattoo trägt, versucht mittlerweile, sich als gemäßigt darzustellen. Es ist bekannt, dass er Ambitionen auf die Parteiführung hat. Sein langjähriger Mentor Michaloliakos veröffentlichte aus seiner Zelle heraus einen Artikel in der parteinahen Zeitung Embros, in dem er schreibt: »Der größte Gegner der Partei sind diejenigen, die sagen, dass wir uns ändern müssen.« Dies wird als Anspielung auf den ehrgeizigen Pressesprecher interpretiert.

Kasidiaris zeigt sich häufig in den griechischen Medien und versucht, Chrysi Avgi ein seriöseres Image zu verschaffen. »Jetzt, wo Ihre Partei zweistellige Zahlen erreicht, ist nicht die Zeit gekommen, den Unsinn über den Nationalsozialismus hinter sich zu lassen?« fragte ihn am Abend der Europawahlen ein Journalist während eines Fernsehinterviews entgegenkommend. Vor kurzem wurden jedoch Fotos veröffentlicht, auf denen Kasidiaris beim großen rassistischen Pogrom im Mai 2011 zu sehen ist, als im Zentrum von Athen nach der Ermordung eines Griechen eine Reihe von Attacken stattfand.
Die Ergebnisse für die Neonazis bei den jüngsten Wahlen in Griechenland, wo im Mai Kommunal-, Regional- und Europawahlen stattfanden, deuten darauf hin, dass sich Chrysi Avgi trotz der Inhaftierung der Führung und der Enthüllungen über kriminelle Aktivitäten mancher Mitglieder in Griechenland etabliert hat. Es war der dritte Wahlgang in Folge nach Ausbruch der Krise, in dem die Neonazis Stimmen gewannen. Als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von Athen, der bevölkerungsreichsten Stadt Griechenlands, konnte Kasidiaris mehr als 16 Prozent erreichen. Bei den Regionalwahlen, die am selben Tag wie die Kommunalwahlen stattfanden, wurden Kandidaten der Neonazis in zwölf der 13 Regional­räte gewählt. Bei der Europawahl konnte Chrysi Avgi zwar nicht das erhoffte zweistellige Ergebnis erreichen. Trotzdem wurde die Partei mit mehr als 9,4 Prozent die drittstärkste in Griechenland. Sie entsendet nun drei Abgeordnete ins Europaparlament: zwei ehemalige Generäle und den Vater des ermordeten Parteimitglieds Giorgos Fountoulis.
Die Unterstützung pensionierter Militärbeamter und Polizisten in den Wahlen weise »auf die besondere Beziehung der Neonazis zum tiefen Staat in Griechenland hin«, sagt der Journalist Psarras. Wie bei den Parlamentswahlen im Juni 2012 wählte eine große Anzahl der Polizisten in Athen die Neonazis. Der ehemalige Bürgerschutzminister Nikos Dendias, der 2012 die gegen Migranten gerichtete sogenannte Säuberungsaktion »Operation Xenios Zeus« in Athen veranlasst hat und nach der Regierungsumbildung Anfang Juni zum Entwicklungsminister ernannt wurde, versuchte dies zu bestreiten.
Doch wie stark die rechtsextreme Ideologie nicht nur den Beamtenapparat durchsetzt, sondern auch die Politik, hat sich auch an der Auswahl des Personals gezeigt, auf das Ministerpräsident Antonis Samaras und sein Koalitionspartner, die sozialdemokratische Pasok, zurückgreifen. Makis Voridis hat Adonis Georgiadis als Gesundheitsminister ersetzt, beide hatten bis 2012 der rechtsextremen Partei Laos angehörte. Der 50jährige Voridis führte in seiner Jugend die rechtsextremistische Bewegung »Griechische Front« und war Vorsitzender der Jugendorganisation der Nationalen Politischen Union, einer Partei, die der ehemalige Diktator Giorgos Papadopoulos aus dem Gefängnis heraus gegründet hatte. In der Vergangenheit stellte er nach Informationen des World Jewish Congress öffentlich Überlegungen darüber an, ob die antisemitischen »Protokolle der Weisen von Zion« nicht doch ein authentisches Dokument über eine jüdische Weltverschwörung seien. Zudem soll er die Echtheit des »Tagebuchs der Anne Frank« angezweifelt haben, weshalb sich der Zentralrat der Jüdischen Gemeinden in Griechenland besorgt angesichts der Ernennung des Politikers zum Minister zeigte. Voridis bezeichnet sich selbst mittlerweile als »Nationalliberalen« mit einer Vergangenheit als »rechter Aktivist«.

Die Zusammensetzung der neuen Regierung deute auf eine düstere Zukunft hin, fürchten Analytiker. »Die neue Regierung ist eine Mischung aus Rechtsextremen, Konservativen und unterwürfigen Politikern, die mit Rücksicht auf die Parteiinteressen gebildet worden ist«, schreibt die Kolumnistin Vasiliki Siouti im Webportal The Press Project. »Mit dieser Regierung wird die Krise weiterhin eine Chance für die Banken sein und eine Tragödie für den Rest«.