Berlin Beatet Bestes. Folge 246

Sie sind wieder da

Berlin Beatet Bestes. Folge 246. Frank Schöbel: Ja, der Fußball ist rund wie die Welt (1974).

Bei einem Besuch in der Redaktion der Jungle World bot ich vergangene Woche aus reiner Sportlichkeit an, über gegenwärtige WM-Songs zu schreiben. Mein Übermut hätte schon in dem Moment schwinden müssen, als eine Redakteurin sagte: »Oh Gott! Dann musst du dir den ganzen Mist ja anhören!« Bis vor kurzem war ich dennoch guter Dinge. Ich kannte schließlich bereits Stefan Raabs WM-Song »Wir kommen, um ihn zu holen« aus seiner Sendung »TV total«. Raab hatte mal wieder schlechten Stil bewiesen. Nicht mit dem Lied selbst, sondern damit, dass er sein Publikum in der letzten Sendung vor der Sommerpause über drei Versionen seines eigenen Songs abstimmen ließ: eine Rammstein-, eine Samba- und eine Mainstream-Pop-Version. Wenig überraschend setzte sich die Mainstream-Version beim Publikum durch. Letztlich war es eine reine Werbeshow für den Song, der sicherlich zu den meistverkauften in diesem Jahr zählen wird.
Verglichen mit dem, was alles für Youtube produziert und möglicherweise auf CD gepresst wird, ist Raabs Song halb so schlimm. Zunächst fällt auf, dass die meisten deutschen WM-Songs 2014 sich selbstbewusst patriotisch gerieren. Schon in »Wir kommen, um ihn zu holen« heißt es martialisch: »Wir werden allen den Arsch versohlen,/denn wir sind wieder da./Müller, Neuer, Schweinsteiger ziehen in die Schlacht.« Noch ignoranter und selbstverliebter geht es in Matze Knops Song »Goldene Generation« zu: »Wir sind die goldene Generation,/die schwarz-rot-goldene Generation./Die Zeit ist reif, denn wir sind stark wie nie./Let’s go Germany.« Goebbels hätte getanzt. Der von Mercedes-Benz gesponserte WM-Song »Das dicke, dicke Ding« von Mister Santos gibt sich zwar lässig-multikulturell, aber auch unnachgiebig: »Der Kader tanzt Lambada/und ballert jeden Gegner um.« Und schon zieht es mich weiter in die kulturellen Tiefen von Youtube. Ich entdecke allerlei Haarsträubendes im Ballermann-Stil von Willi Herren, Jörg und Dragan, den Remmi Demmi Boys und dem Amateur-Erotikstar Aische Pervers. Ihr selbstproduzierter Song: »Deutschalalalaland« ist recht unterhaltsam, allerdings nicht jugendfrei. Warum, weiß keiner. Sie macht nichts Schlimmes, außer zu singen. Vollständig bekleidet ist sie auch. Mit 2,5 Millionen Klicks erheblich erfolgreicher ist dagegen Melanie Müller, die Gewinnerin des diesjährigen Dschungelcamp. In ihrem Song »Deutschland schießt ein Tor« singt sie mit dünner Stimme gegen einen Bumsbeat an, bleibt aber textlich überraschend friedlich: »Fußball, das heißt Freundschaft auf der ganzen Welt.«
In seinem etwas antiquiert anmutenden Gewand erinnert der Song an längst vergangene Zeiten und Länder. Sportlich, unpatriotisch und völkerverständigend sang Frank Schöbel in der DDR die WM-Hymne: »Ja, der Fußball ist rund wie die Welt,/überall rollt der Ball./Und wenn einer zum anderen hält,/trifft der Ball. Klarer Fall!«

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.