Berlin Beatet Bestes. Folge 254

Stullen, Platten, Glück

Berlin Beatet Bestes. Folge 254. Trödel-Tour 2014.

Bei schönstem Sommerwetter saß ich gestern vor dem Haus und wartete auf Franky. Einen Gutschein, den ich von ihm bereits im April zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, hielt ich in der Hand. Auf ihm waren folgende Punkte festgehalten: »1. Handgeschmierte Stullen für zwischendurch; 2. Besuch von mehreren West-Berliner Trödel- oder Second-Hand-Plattenläden; 3. An- und Abfahrt inklusive (Auto); 4. Mittagssnack gratis; 5. 1 LP und 1 Single deiner Wahl gratis, 6. Gemeinsames Anhören bei Bier im Anschluss.«
Gutscheine werden meist aus Verlegenheit verschenkt und der Beschenkte rechnet oft auch gar nicht damit, dass sie eingelöst werden. Nicht in diesem Fall. Franky hält Wort. Schon hörte ich die Hupe von seinem Auto und los ging’s auf Trödel-Tour. Zuerst steuerten wir Charlottenburg an. Franky hatte von einem Laden in der Kantstraße gehört, in dem sich Hunderttausend Platten befinden sollten. Angefeuert von zwei Flaschen Club Mate, durchforsteten wir zunächst draußen die Billigkisten, bevor wir den vollgestopften Laden betraten.
Der Besitzer rauchte. Saubergemacht wurde anscheinend seit Jahren nicht mehr, noch dazu waren die Platten schlecht sortiert: alphabetisch. Das hasse ich! Eine Sparte für Milva oder Hall & Oates braucht niemand. Trotzdem fand ich einige gute Jazz-EPs. Auf dem Weg zurück zum Auto entdeckten wir einen Antik-und Trödel­laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Als wir eintraten, blickten wir auf ein paar Tausend Platten. Auch hier rauchte der Besitzer, ein rundlicher Türke, der an einem großen Schreibtisch saß und mit einer Kundin über sein Smartphone quatschte. Als wir uns durch die staubigen, klebrigen Platten arbeiteten, fragte er Franky, ob er die PIN seines Handys neu eingeben könnte. Er sähe so schlecht. Tatsächlich schien er fast blind zu sein. Franky half gern. Kurze Zeit später wurde uns von seinem Berliner Hiwi unerwartet Kuchen angeboten. Wir nahmen freundlich an und stopften mit schmutzigen Fingern jeder ein Stück in uns rein. Beim Bezahlen konnte der nette Trödelladenchef Zwei- und Ein-Euro-Münzen nicht unterscheiden. Wir bezahlten ordentlich und machten uns auf den Weg nach Wilmersdorf.
Dort angekommen, stießen wir auf einen kleinen Park. Jetzt kamen die Stullen zum Einsatz. Wie versprochen, hatte Franky uns jeweils ein schönes Käsebrötchen geschmiert. Ach, wie herrlich die schmeckten, in der Sonne nach zwei Stunden Plattengraben! Den nächsten Ladenbesitzer kannten wir beide aus Kreuzberg. Im letzten Jahr hatte er sein Geschäft dort entnervt aufgegeben, nachdem die Miete mal wieder extrem erhöht worden war. Im bürgerlichen Wilmersdorf wirkte er um Jahre verjüngt. Entspannt rauchte er, der Laden war aufgeräumt und gut sortiert, die Platten waren billig. Wir klaubten ein paar Scheiben zusammen und rauschten nach Lichterfelde, in Berlins Süden. Zwischenstopp bei der Oma eines Freundes, Kaffee im Garten. Dann zum Geheimtipp: Kirchenbasar. Die Zeit wurde knapp. Sie wollten schließen. Fertig. Erschöpft fuhren wir nach Hause. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk kann ich mir nicht denken.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.