Die Effekte der gefilmten Hinrichtungen des »Islamischen Staats«

Die Bilderfalle

Die gefilmten Hinrichtungen des »Islamischen Staats« dienen den Public Relations. Sie sind so grausam gegen die Opfer, dass sie eine Identifikation mit den Urhebern erzwingen.

Dass jeder Krieg auch mit Bildern geführt, gewonnen oder verloren wird, mit Erzählungen, Ideogrammen und Memen, das scheint so klar wie grausig. Menschen werden getötet, ihre Behausungen zerstört, ihre Körper gequält, ihre Würde wird zertreten, nicht nur, weil sie sich einem Interesse, einem Willen, einer Macht entgegenstellen, weil sie das Unglück haben, zur »Beute« zu gehören, oder einfach zur falschen Zeit am falschen Ort sind und nirgendwohin fliehen können, sondern auch, vielleicht vor allem, um ein Bild zu erzeugen. Ein Bild, das geile Macht für die eigene und verzweifelte Ohnmacht für die andere Seite bedeutet. Das Terrorbild ist immer auch ein sexuelles Bild, und es ist immer, wie man es auch sehen mag, ein religiöses Bild. Es ist, mit anderen Worten, vollkommen unvernünftig.
Aber dass es moralische, topographische und rationale Gewissheiten zerstört, heißt nicht, dass es keinen Absichten und Zielen dient, dass es nicht verwertbar, nicht käuflich und verkäuflich, dass es nicht taktisch, strategisch und mythisch zugleich wäre, nicht, auf zynische Weise, produktiv. Das Terrorbild existiert nicht nur in einer Kultur, die sich nicht mehr über eine Erzählung definiert, es existiert auch auf einem Markt, der nur noch durch die Hysterisierung der Nachfrage in Bewegung gehalten werden kann.
Ist uns die Produktion von Bildern und Erzählungen zur Geschichte noch vertraut, so wird die Produktion von Geschichte durch Bilder und Erzählungen schon unheimlich. Ziemlich unerträglich wird der Gedanke an eine Geschichte als Bilderzählung: Bild und Geschehen sind in etwas verbunden, das wir hilflos die Echtzeit nennen, und das auch das Gegenteil ist, eine Unzeit, eine Nichtzeit. In unserer Bildergeschichte gibt es eine starke positive, zivilisierende Tradition. Es waren die Bilder, die den Zweiten Weltkrieg legitimieren konnten als einen der Guten gegen die Bösen, und es waren, sagt man, Bilder, die die amerikanische Gesellschaft dazu brachten, sich gegen die militärische und politische Führung zu wenden, um den Krieg in Vietnam zu beenden. Aber diese Erzählung von der positiven Kraft der Bilder, vielleicht stärker als die wenigstens im Nachhinein durchschaubare Bildproduktion der Propaganda, ist längst abgebrochen.
Vielleicht kann man unterscheiden zwischen den konzentrierenden und den dissoziierenden Bildern. Konzentrierende Bilder scheinen jene zu sein, die mehr enthalten, als sie zeigen, Bilder, die sich mehrfach, aber fokussiert lesen lassen, konkretes Geschehen mit metaphorischem und metaphysischem Gehalt, Bilder, die gleichsam plot points in der Geschichte bezeichnen: Etwas ist dramatisch zu Ende gegangen, etwas muss vollkommen neu beginnen. So ein konzentrisches Bild, das ganz entsprechend dann in Kreisen um die Welt ging, in blitzraschen Bilderwellen, die an die verschiedensten Küsten gelangten, war gewiss das des Anschlags auf die Twin Towers. Es generierte denn auch ein historisches Datum, eine Zeitenwende, ein alles (und darum natürlich auch nichts) erklärendes Zahlenkürzel: 9/11. Gemeinsam erzeugen Bild und Zahl den schärfsten aller plot points der jüngeren Geschichte. So jedenfalls wollte und sollte es scheinen.
Dass auf dieses Bild ein »Krieg gegen den Terror« folgte, hat nicht nur mit politischer und militärischer Logik zu tun, sondern auch mit semantischer. Dem plot point muss das Spiegelungsnarrativ folgen: Die Geschichte darf nicht zu Ende sein, sondern muss mit einer Wendung fortgeführt werden. Dem Verdichtungs- folgt dass Dissoziationsbild. Der Krieg gegen den Terror beginnt. Der Bilderkrieg des 21. Jahrhunderts.
Der Krieg gegen den Terror indes produzierte vor allem das dissoziierende Gegenbild. Die Jagd auf Ussama bin Laden, die sonderbar düstere, unklare und unspektakuläre Bilder erzeugte. Bilder, die eigentlich niemand sehen wollte. Den überrüsteten Wüstenkrieger, der sich dann als maskierter Barbar, als Folterer und Vergewaltiger zeigte, mag man als konsequente Fortsetzung verstehen. Die tötende Drohne als Objekt ohne Körper. Das Durchleuchten und Erspähen als elektronisches Nacktmachen. Dauernde Metamorphosen. Aus Soldaten werden Terroristen, und aus Terroristen werden Soldaten. Auch das hat eine tiefere Dimension: Der Terrorist ist eine dämonische Wiederkehr des Kriegers, eines heroischen, autonomen Männerbilds in semantischer Überfülle. Der Krieger wurde einst (und wird immer wieder) vom Soldaten, dem rationalisierten, technifizierten, disziplinierten Gegenbild ersetzt. Aber natürlich nicht vollkommen. Krieger und Soldat (auch Kriegerin und Soldatin, anderswo früher als hier) stehen nicht nur einander gegenüber in asymmetrischen Kriegen, sondern sie können auch in ein- und derselben Einheit, in einer Person miteinander ringen. Der Soldatisierung auf der einen Seite (Professionalität, Technifizierung, Instrumentalisierung) steht eine Verkriegerung auf der anderen Seite gegenüber (Subjektivierung, Barbarisierung, Autonomie). Zur Steigerungslogik dieses Gewaltwettbewerbs gehört es, dass weder die Rationalisierung des Soldaten noch die Subjektivierung des Kriegers wirklich gelingen kann. Nur in der Erzeugung der Bilder sind beide immer perfekter. Zwei Strategien des Angstmachens und der Selbstbeeindruckung. Zwei Bildstrategien auch, die nur unvollkommen verbergen, dass der äußere Feind nur Vorwand ist und der eigentliche Feind im Inneren sitzt.
So können wir die Faszination, die die Terrorbilder in ihrer derzeitigen Gestalt, einer extremen Echtzeitdissoziierung nämlich, noch einmal erklären. Es geht nicht nur um die Durchsetzung von Interessen und Überzeugungen durch Gewalt, es geht auch um eine Konkurrenz um die Sprache der Gewalt.
Das dissoziierte Echtzeitnetzbild von Krieg und Terror, das auf den plot point folgt, ist kein statischer Zustand. Es verändert sich ständig auf mehreren Ebenen: Die Bildermaschinen, die zunächst immer kleiner, beweglicher und bil­liger wurden, werden nun auch immer besser. (An der Qualität der Bilder kann man den Grad der technologisch-ökonomischen Durchdringung einer Gesellschaft erkennen.) Die Kanäle zu ihrer Vervielfältigung vermehren sich, die Verwertungsketten werden vielfältiger (immer mehr Menschen beschäftigen sich mit ihrer ökonomischen und politischen Kontextualisierung). Es entstehen ständig neue Schauplätze und es kommen ständig neue Akteure dazu. Gleichzeitig sinkt der Aufmerksamkeitswert der einzelnen Bilder. Um überhaupt noch in den Bildnachrichtenzyklus zu gelangen, muss jede Terrororganisation die anderen in der Krassheit der Bilder, die sie produziert, übertreffen. Zur gleichen Zeit muss sie allerdings auch dafür sorgen, dass das Bild des Kriegers durch die Unwürdigkeit seiner Taten nicht zusammenbricht, und das kann offensichtlich nur durch eben jenen religiösen Fanatismus geschehen, der die Gewalttat nicht nur legitimiert, sondern auch heiligt. Ist es nicht auffallend, dass bei den Äußerungen von Jihadisten aus den mitteleuropäischen Ländern wiederkehrend die Bereitschaft aufscheint, im Zweifelsfall auch die eigenen Freunde, die eigene Familie zu töten? Die Abstraktion des technifizierten Soldaten (bis zur Verwandlung in eine Menschmaschine, bis zum Krieg ohne Menschen) und die Konkretisierung des terroristischen Kriegers (bis zum Abschlachten der allernächsten und natürlich zum Zerfetzen des eigenen Körpers) sind in absurde Endstadien eingetreten. Als Praxis, aber noch mehr als Schauspiel.
Der Terror ist ein Geschehen, das auf das eine und konzentrierende Bild des Schreckens hinaus will. Im Terror nämlich, was ja nichts anderes als Schrecken bedeutet, sind Tat und Bild vollkommen miteinander verschmolzen, so wie in der Drohnen- und Bildschirmstrategie des neuen Soldaten Tat und Bild vollkommen unabhängig voneinander werden sollen. So stehen miteinander in Konkurrenz das Abbild, das keinen Sinn mehr ergibt, und das Sinnbild, dem nichts Abzubildendes entspricht. Beide erklären sich nur durch den Tod, die Zerstörung und das Leid.
Das große Terrorbild von 9/11 ließ sich nicht wiederholen. Unter anderem hat dies eine mediengeschichtliche Parallelität. Das Leitmedium ist nicht mehr das konzentrierende Fernsehen, das noch einmal versammelte und einigte, sondern es sind die sozialen Netzwerke, die Handyfotografie, die Youtube-Dissoziation. Nun sieht man vor allem detaillierten Akten der Zerstörung zu, man sieht, vor allem, Menschen beim Sterben zu. Einzelne Menschen sehen einzelnen Menschen beim Sterben zu. Kind fällt mit Plastikbadewanne um. Gelächter. Klick. Frau wird auf offener Straße von Scharfschützen erschossen. Klick.
Die große Hoffnung des Iconic Turn hat sich nicht erfüllt: Dass weniger Verbrechen gegen die Menschheit verübt werden, wenn die Welt zusieht. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
In den Enthauptungsvideos des IS ist diese Ohnmacht indes nicht nur noch einmal gesteigert, sondern die triumphalistischen Gesten der Terrorkrieger (die sich in Wahrheit gerade in, wenn auch besonders barbarische, Soldaten zurückverwandeln) verhöhnen neben den Opfern auch noch die Adressaten in einem Maße, das das Bild noch einmal zur schärferen Waffe macht. Der Zivilisationsbruch ist auf eine Weise konzentriert, wie sie sich der schlimmste Hollywood-Bildermacher nicht ausdenken könnte. Doch während der Anschlag von 9/11 eine Kriegserklärung an eine bestimmte Kultur war, ist das Enthauptungsvideo eine Kriegserklärung an die Zivilisation als Konzept. Es kränkt nicht nur alle zivilisierten Menschen, sondern will auch alle Menschen verführen, die sich von der Zivilisation betrogen fühlen. Und während sich bei den normalen Bildern des Terrors Freund und Feind, Täter und Opfer, die Guten und die Bösen kaum auseinanderhalten lassen, bekommt hier alles wieder Gestalt. Das Bild erzählt wieder, und zwar so eindeutig, dass man es nicht anders aushalten kann als durch Identifikation. Es sind auch, machen wir uns nichts vor, Werbefilme.
Einen historischen plot point markieren die Bilder dennoch nicht. Das hat liegt nicht nur daran, dass die Absicht, mit ihnen den soldatischen Gegenschlag zu provozieren, um die Kultur der Krieger zu verbreiten, ausgesprochen durchschaubar ist. Es liegt auch am Konsens und am Underground-Dasein der Terrorbilder. Es entstand ein Code der öffentlichen Zeigbarkeit dieser Bilder. Zum einen mit der Begründung, sie würden das Geschäft der Entzivilisierung weiter fortsetzen, wenn sie in die offenen Bilderzyklen gespeist würden, zum anderen mit dem Argument, nicht auf die Bilderfallen der Terroristen hereinfallen zu wollen. Auf die extreme allgemeine Sichtbarkeit des Terrorbildes von 9/11 folgt eine konsensuell eingeschränkte Sichtbarkeit jener Bilder, die den nächsten plot point bilden sollen (und auch wieder nicht). Natürlich werden die Bilder zur gleichen Zeit ständig zitiert und in mehr oder weniger zensierter Form doch präsentiert, sie sind vorhanden und nicht vorhanden, dem Blick eher als dem Diskurs zugänglich, und damit im Bereich des Verbotenen und Verdrängten. Ich sehe, was wir nicht sehen. Das kulturelle Gelingen oder Nichtgelingen der Abwehr von terroristischen Bildern des Zivilisationsbruchs wird selber wiederum Teil der globalen Auseinandersetzung. Und die Bilderfalle, der man auf der einen Seite zu entgehen hofft, schnappt auf einer anderen wieder zu.
Wir sind überall dabei, und wir verstehen nichts mehr. Also müssen die Bilder, die nichts anderes mehr aussagen, als dass sie die Welt als Hölle beschreiben, wieder neu kontextualisiert werden. Sie gehen in verschiedene Ka­näle, in verschiedene Zyklen, in verschiedene Erzählungen ein. Sie bilden terroristisches Propagandamaterial für jene Gruppen, die sich als Urheber inszenieren. Wenn der IS die Bilder von Enthauptungen seiner Geiseln ins Netz stellt, dann unter anderem, um sich als Subjekt des Terrors zu bestätigen. Es ist ein Kampf um die Hegemonie in den Schreckensbildern, die nur dadurch erreicht werden kann, dass man alle anderen (also mehr noch die Konkurrenten im Terror als die »narrativen« Feinde) an Brutalität und symbolischer Gewalt überbietet. Der Terror unterliegt mithin nicht nur einer medialen Logik (die Eroberung des jeweiligen Leitmediums), sondern auch einer Marktlogik. Die Tötungsart als Markenzeichen.
Der Terror hat ohnehin weniger mit Fanatismus zu tun als mit einer politischen Ökonomie. Es handelt sich einerseits um eine Verbindung von Plünderungs- und Mafiaökonomie; der Terror in seinen verschiedenen Stadien von Organisiertheit finanziert sich durch seine Beute und muss daher wachsen. Aber es ist zugleich auch eine Ökonomie, die nur durch ihre Verknüpfung mit der westlichen Überschuss- und Unterhaltungsindustrie zu denken ist. Der Terror kann weder seine Waffen selber erzeugen, noch kann er seine Produkte, Rohstoffe, Drogen, Menschen und eben Bilder, auf den selbst eroberten beziehungsweise zerstörten Märkten absetzen.
Zur politischen Ökonomie des Terrors gehört es, dass seine Instrumente auf dem Weltmarkt extrem billig geworden sind. Dazu zählen nicht nur die Handfeuerwaffen, die Explosivstoffe, die Pick-ups, der rüstungsindustrielle Überschuss, sondern auch die Mobiltelefone mit Fotofunktion, die Kommunikationsmittel, die Netzmaschinen. Terror ist, zynischerweise, wirtschaftlicher als der Aufbau lokaler Märkte und Produktionsstätten. Man hat schneller eine wachsende Gruppe von zu allem entschlossenen Gotteskriegern beeinander, als dass man eine Landwirtschaft entwickelt. Und umgekehrt ist Panzer und Kampfjets zu schicken konsensueller, als Saatgut und Erntemaschinen zu verteilen. Man versteht diesen Terror nicht, wenn man ihn als Widerpart des globalen Markt­geschehens sieht; er ist ein Teil davon. So wie er ein Teil der Mediengeschichte ist. Als Bilderfabrikation macht der Terror deutlich, dass er nicht wirklich aus der Not geboren ist, sondern diese im Gegenteil erzeugt.
Es kommt also darauf an, wer zu welchen Absichten die Bilder aus den Netzen fischt, in die sie eingespeist werden. Dazu gehören nicht nur die heavy users und die Aficionados der »krassen Bilder«, nicht nur Medienvermarkter und soziale Netzwerke, sondern auch Stellen wie der Site Monitoring Service, der im Auftrag der amerikanischen Regierung, für das FBI, aber auch für registrierte Kunden, Bilder des Terrorismus sammelt, bearbeitet und kommentiert. Nebenbei entsteht eine Gegenerzählung: Rita Katz, Executive Director der Site Intelligence Group, veröffentlicht Bücher wie »Terrorist Hunter: The Extraordinary Story of a Woman Who Went Undercover to Infiltrate the Radical Islamic Groups Operating in America« (Harper Collins, 2003). Der Site Monitoring Service und seine Mitarbeiter sind nicht nur mit der Aufklärung, sondern vor allem mit der Umdeutung der Terrorbilder beschäftigt, die den Interessen der Ökonomie wie denen der Politik dient. Die kulturindustriellen Zweit- und Drittverwerter heben den Terror in dialektischem Sinne auf. In ihre Erzählungen betten sie die Bildarchive des Grauens ein, die Dokumente der Chaotisierung werden wieder rationalisiert und geordnet. Der Bilderkreislauf kann von neuem beginnen. Auf der einen Seite machen Menschen Bilder von sterbenden Menschen, bevor sie selbst getötet werden, von Menschen, von denen andere Menschen Bilder machen, bis sie wiederum von anderen Menschen getötet werden. Auf der anderen sehen Menschen die Bilder von getöteten Menschen, die selbst wieder an Todesspielen und Todesmaschinen arbeiten, überwacht von Bildermaschinen, die in jedem den potentiellen Terroristen sehen …  Bildersucht und Todestrieb sind eine denkwürdige Verbindung eingegangen.
Auf den ersten Blick also könnte man meinen, die Bilder dieses end- und grenzenlosen Terrors würden keine Erzählung mehr hervorbringen, keine symbolischen Verdichtungen mehr erreichen, keine plot points und schon gar keine Erklärungen, und eine Zivilisation wie die unsere würde durch ihren Umgang mit ihnen eine ikonographische Grenze zu ziehen versuchen. Auch gegen die unwillkommene Spiegelung der eigenen Gewaltgeilheit. Nur eine Mischung aus fatalistischer Ermattung, Amüsierwut und mühsam unterdrückter Rachsucht könne da entstehen. Doch bei genauerem Hinsehen ist jede noch so kleine Episode des Bilderkriegs mitentscheidend für den Ausgang der Weltkonflikte. Mit dem Zusammenbruch der dynastischen Diktaturen auf der einen Seite und dem beschleunigten Abbau der Demokratie auf der anderen sind die Bilder die einzigen wirksamen Verbindungen zwischen Regierungen und Bevölkerungen im globalen Bürgerkrieg. Sie zwingen uns indes eine antizivilisatorische Logik auf. Sie sind selbst schon Waffe, sie sind selbst schon Beute. Ausdruck einer visuellen Plünderungsökonomie, die freilich in den Industriestaaten wieder in eine traditionelle mediale Ausbeutungsökonomie zurückverwandelt wird. Hier wird das Bild als Beute (und bestehe sie im eigenen Todeskampf) wieder zum Bild als Rohstoff. Das Verwertungsinteresse ist größer als die Moral, so dass der Terror sicher sein kann, dass seine Botschaften ankommen.
Aber muss die Welt nicht erfahren, wie furchtbar der Terror wütet? Müssen nicht mit allen Mitteln diese Dokumente des Wirklichen dorthin gesendet werden, von wo einzig Hilfe zu erwarten wäre? Ist nicht jedes Terrorbild, das von den Terroristen selber produzierte, das von den mehr oder weniger neutralen Medien eroberte wie das in den Tumulten anonym entstandene, ein dringlicher Appell? Wäre ein visuelles Schweigen nicht noch viel schlimmer?
Es ist die nächste Bilderfalle, in der wir stecken. So wie das konzentrierte Terrorbild einen plot point suggeriert, den es nie wirklich gibt, so suggeriert das dissoziierte Terrorbild einen nihilistischen Zustand der Welt, in dem jede Veränderung ausgeschlossen scheint. So entsteht eine Wellenform von Hysterie und Gleichgültigkeit. Von falschem Handeln und genauso falscher Passivität. Der Terror und seine Bilder entstehen nicht aus kulturellen Missverständnissen. Sondern als Informationsaustausch zwischen Kräften, die sich nur allzu gut verstehen. Sie benutzen schließlich dieselben Bildermaschinen.