Eine Spendekampagne für inhaftierte Nazis

Spenden für den rechten Zweck

Seit dem Verbot der »Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener« kümmert sich die »Gefangenenhilfe« um einsitzende Nazis – derzeit mit einer Spendenkampagne.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und die Innenstädte sind entsprechend dekoriert. Auch in der deutschen Neonaziszene stehen die Zeichen auf Besinnlichkeit. Doch statt Weihnachten feiert man hier das germanische »Julfest« (Jungle World 52/2008), statt Geschenken für die Lieben daheim gibt es eine Spendenaktion für inhaftierte Nazis.

Ob es im vorchristlichen Nordeuropa tatsächlich ein Julfest gab, ist keineswegs sicher. Die ältesten Quellen, die ein solches Fest erwähnen, stammen aus christlicher Zeit. Den Spendeneintreibern dürfte das egal sein. Die Kampagne der Organisation »Gefangenenhilfe« reiht sich in die lange Reihe anderer Spendensammlungen ein, die Weihnachtszeit ist bloß ein Aufhänger. Was genau mit dem gesammelten Geld geschehen soll, erwähnt die »Gefangenenhilfe« übrigens nicht.
Erstmals öffentlich in Erscheinung getreten ist die Organisation im August 2012 auf dem Pressefest der NPD-Zeitung Deutsche Stimme in Viereck in Mecklenburg-Vorpommern. Im April 2013 dann beteiligte sie sich mit einem Informationsstand am »Südwestdeutschen Kulturtag« der Jungen Nationaldemokraten (JN). Die Nähe zur NPD ist offenkundig. Das wurde zuletzt im Oktober deutlich, als die Organisation eine Kundgebung in Brandenburg an der Havel abhielt, wo der Holocaust-Leugner Horst Mahler wegen Volksverhetzung einsitzt. Neben Maik Eminger, dem Zwillingsbruder des im NSU-Prozess mitangeklagten André Eminger, sprachen dort auch der Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke und Pierre Dornbrach, der Brandenburger Landesvorsitzende der JN, zu etwa 80 versammelten Neonazis.
Dass die »Gefangenenhilfe« erstmals 2012 in Erscheinung trat, war kein Zufall. Im September 2011 war mit der »Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener« (HNG) eine ähnliche Organisation vom Bundesinnenministerium verboten worden. An deren Stelle trat die »Gefangenenhilfe« neben anderen Gruppen wie etwa der »Braunen Hilfe« in Schleswig-Holstein und der »Aryan Defense Jail Crew«. Formal handelt es sich bei der »Gefangenenhilfe« um einen in Schweden eingetragenen Verein mit einer Postfachadresse in Stockholm. Es gilt jedoch als sicher, dass die Organisation vor allem aus deutschen Kadern besteht. Ein Schwerpunkt scheint in Brandenburg zu liegen.
Dass die Organisation gute Verbindungen hat, belegt die derzeitige Spendensammlung. Die Liste der Firmen, die sich beteiligen, liest sich wie das Who’s who des extrem rechten Versandhandels. Zahlreiche Firmen haben Sachwerte gestiftet oder zugesagt, einen Teil der Einnahmen der »Gefangenenhilfe« zu spenden.

An der Kampagne beteiligt ist zum Beispiel der »Reichsversand«, der vor allem mit Nachbildungen von Nazikitsch handelt und unter anderem mehrere SS-Dolche und zweimal das »Eiserne Kreuz«, Ausführung Erster Weltkrieg, beisteuert. Auf der Internetseite des Versands, die in den USA registriert ist, wird von Parteiabzeichen der NSDAP bis hin zu Hakenkreuzfahnen etliches angeboten, was in Deutschland als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verboten ist. Dessen ist man sich beim »Reichsversand« offenbar bewusst. Dort heißt es: »Kunden in Deutschland werden so beliefert, dass es keinen Ärger mit den deutschen Behörden gibt.«
Der »Odin-Versand« aus dem sächsischen Goh­risch stiftet unter anderem eine Reichskriegsflagge und eine CD der Rechtsrock-Band »Die Lunikoff-Verschwörung«. Betreiber des Versands ist Martin Hering, der im September bundesweit Schlagzeilen machte, weil er gleichzeitig bei der NPD und bei der »Alternative für Deutschland« Mitglied war. Letztere distanzierte sich jedoch umgehend von ihm und kündigte einen Parteiausschluss an. Bereits Anfang Juli war sein »na­tionales Versandhaus« wegen des Verdachts der Volksverhetzung durchsucht worden.
Der Verlag »Der Schelm« des Leipzigers Adrian Preißinger will 40 Prozent des Verkaufspreises von Buchbestellungen spenden. Bestseller des Verlags ist eine deutschsprachige Ausgabe von Henry Fords antisemitischem Machwerk »Der internationale Jude«, das Preißinger über seine eigene Internetseite und über Amazon für 30 Euro als »wissenschaftlichen Quellentext« anbietet und das auch im »Reichsversand« zum Verkauf steht. Wer der englischen Sprache mächtig ist, kann bei Amazon auch die Originalfassung für nur 6,24 Euro erwerben. Dann allerdings gehen die »nationalen Gefangenen« leer aus.
Auch Preißinger wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt. Früher handelte er eher mit Rechtsrock als mit antisemitischen Hetzschriften. Auch er steht in Verbindung zur NPD. Er war es, der 2007 für die Deutsche Stimme ausgerechnet bei einer linken Druckerei anfragte, ob diese nicht die Zeitung drucken wolle.
Auch andere Spender wie der Kieler Onlineshop »Support Wear« und der »Zentralversand« aus dem brandenburgischen Chorin standen oder stehen personell mit der NPD in Verbindung. Hinter dem Zentralversand etwa verbirgt sich dem Impressum zufolge der langjährige Neonazikader René Herrmann, der in der Vergangenheit unter anderem als Administrator der Internet-Seite des Kreisverbands Barnim-Uckermark der NPD in Erscheinung getreten ist.

Dass im Zusammenhang mit der »Gefangenenhilfe« immer wieder der Name der Partei fällt, ist nicht wirklich überraschend. Gerade in Sachsen und Brandenburg, wo ein Gutteil der an der Spendenkampagne Beteiligten ansässig ist, sind die Verbindungen zwischen der NPD und »Freien Kräften« häufig sehr gut und personelle Überschneidungen alles andere als selten.
Die »Gefangenenhilfe« arbeitet jedoch auch mit anderen Gruppen und Parteien zusammen. In Sachsen-Anhalt etwa nahmen Kader der Organisation im November an einer Veranstaltung der Partei »Die Rechte« teil, an der bereits erwähnten Kundgebung in Brandenburg an der Havel beteiligten sich auch Mitglieder der Partei »Der III. Weg«. Es ist also gut möglich, dass die »Gefangenenhilfe« die HNG als überparteilich akzeptierte Organisation endgültig beerbt – zumindest, bis das nächste Verbot kommt.