Ernste Sorgen

In New York werben große Tafeln für getold.com, eine Seite, die Ängste vor dem Alter nehmen soll, mit Testimonials wie »I wasn’t crazy about living with my parents the first time around«. Die Idee, »get old smarter«, sollte dringend über den Teich gerettet werden, denn hierzulande stehen derzeit die Sorgen wenig smarter alter Leute hoch im Kurs. Ihre Ängste sind hauptsächlich zum Ernstnehmen da, das haben Politiker glaubhaft versichert. Natürlich gilt es dabei, unterschiedliche Ängste unterschiedlich zu gewichten. Die Sorgen der Leute, die sich vor dem bornierten, stumpfen Pöbel fürchten, der seine wirren Ideen durch Dresden trägt, brauchen beispielsweise nicht so ernstgenommen werden wie die als Angst maskierte Wut, welche den Pöbel umtreibt. Denn dieses Völkchen, diese graue, haarige Masse von Früh-, Spät- und Mentalrentnern, ist es, das in diesem Land immer schon überall den Ton angegeben hat und noch weiter angibt. Das hysterische Muttchen, das bei der politischen Lesung aufspringt und wirres Zeug über die angeborene Gewaltbereitschaft der Araber stammelt, der ungehobelte Bierzeltcamper, der über Finanzströme und Zinsen fachsimpelt, während er zu Hause die Matratze mit Banknoten stopft: Bei aller Verblendung ziehen sie ihr Selbstbewusstsein aus dem sicheren Wissen, dass ihnen niemals jemand zu widersprechen wagen wird. Statt sie schamesrot zurück auf die billigen Plätze zu schicken, auf die sie gehören, müssen sie ernstgenommen werden in ihrem Wahn, das ist leiderleider eine politische Tatsache, denn ihresgleichen stellt immer noch die Mehrheit in diesem Land, und das weiß auch jeder Politiker, der diese verängstigten Schäfchen so rührend um sich schart. Bald schon wird er auch ihre Ängste vor Stalin, diebischen Enkeln, vor Butzemann und Höllenfeuer smart bedienen.