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Gerade hat es zu unserer Mittwochskonferenz geläutet, da kommt die schreckliche Nachricht aus Paris. Schock, Fassungslosigkeit. So sitzen wir nun da, um den großen Sitzungstisch: angespannt, bestürzt, entsetzt. Wie ein Häufchen Elend. Die meisten Kolleginnen und Kollegen starren düster in ihre Smartphones, die Lage verfolgend. Mit den blasphemischen, anarchischen Islamismuskritikern von Charlie Hebdo verbindet uns einiges. Öfters haben wir auch Karikaturen von ihnen übernommen. Wir ändern das Titelbild unserer Facebook-Seite: »Charlie Hebdo«. Am Nachmittag klingelt das Telefon: Eine Kollegin von einer Landesrundfunkanstalt ruft an. Wir hätten doch 2011 nach dem Brandanschlag auf Charlie Hebdo deren Karikaturen nachgedruckt (45/2011), ob wir jetzt auch Angst hätten, ob sie mit uns ein Interview führen könne. Aber was soll man da sagen? Angst? Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht. Sprachlos sind wir. Nein, sorry, wir möchten kein Interview geben. Unsere Comiczeichner färben ihre Online-Präsenzen schwarz. Am nächsten Tag beziehen Polizeiwagen vor den Redaktionen der Taz, des Tagesspiegels, bei Springer und anderen Zeitungen in Berlin Stellung zu ihrem Schutz. Bei uns rostet nur eine alte Machete im Produktionszimmer vor sich hin.
Jemand bringt T-Shirts mit: »Je suis Charlie«. Wir machen ein Foto von uns, die, die gerade da sind, und stellen es bei Facebook rein. Eine Geste der Anteilnahme, der Solidarität, mehr nicht, klar. Auf Facebook erreicht unser erstes Posting nach dem Massaker fast 80 000 User, das bedeutet natürlich auch, dass sich ein paar Idioten und Pegida-Fans dahin verirren. Och nee, muss das jetzt auch noch sein? Wir kommen kaum hinterher zu reagieren. Wir müssen die nächste Ausgabe vorbereiten. Am Donnerstag wird eine Polizistin erschossen. Und auch am Freitag ist die Nachrichtenlage wenig beruhigend. Der nächste Anschlag, diesmal auf einen jüdischen Supermarkt. Weitere Tote. Am Wochenende dann: Brandanschlag auf die Hamburger Morgenpost. Ob es einen Zusammenhang gibt, ist unklar.
Dann sitzen wir über einem Stapel Comics, treffen eine Auswahl (Seiten 2 bis 6 und Comic-Seite), ein Titelblatt muss her, über Angst wird nicht geredet, aber es ist zu spüren, sie ist da. Dann die Idee, das Heft der Charlie Hebdo-Überlebenden als Beilage in der Jungle World zu bringen. Aber unser Redaktionsschluss ist zu früh. Kontaktversuche gehen ins Leere: Kein Anschluss (mehr) unter dieser Nummer/E-Mail-Adresse. Na, dann hieven wir eben das Cover der neuen Charlie Hebdo als Poster ins Blatt (Seiten 10/11). Unser Gruß nach Paris. »Gleich ruft das LKA bei Euch an«, informiert uns am Dienstagabend eine Kollegin.