Nazis streiten über Griechenland

Die Morgenröte melkt die Kuh

Wie hältst du es mit Griechenland? Diese Frage sorgt bei deutschen Neonazis für Streit.

Nazi zu sein, war auch schon mal einfacher. Es gab Zeiten, in denen es reichte, auf sein eigenes Land stolz zu sein und alle anderen zu hassen. Globalisierung und Postmoderne machen jedoch auch vor der extremen Rechten nicht halt. Längst sind auch hier transnationale Netzwerke wie Blood & Honour und die Hammerskin Nation entstanden, solidarisieren sich Neonazis grenzüberschreitend mit inhaftierten Gesinnungsgenossen und gibt es auch auf Ebene der Parteipolitik vielfältige Formen der internationalen Zusammenarbeit.

All das läuft jedoch nicht immer ganz reibungslos ab. Derzeit ist ein Streit entbrannt um den Umgang der deutschen extremen Rechten mit der griechischen Schuldenkrise, den griechischen Kameraden von Chrysi Avgi und den Griechen an sich. Ende Januar verkündete der »Freundeskreis Golden Dawn« auf seiner Internetseite, er distanziere sich vom Internetportal Altermedia, da dort »seit Bestehen dieser Webseite das griechische Volk immer wieder durch Administratoren, Autoren und Nutzer in den Kommentarspalten als Abschaum, arbeitsfaul und Schmarotzer verunglimpft« werde.
Dass die Freunde der griechischen Nazipartei Chrysi Avgi das richtig erkannt haben, beweist schon ein flüchtiger Blick in die Kommentarspalte unter der auf Altermedia gespiegelten Stellungnahme. Die Griechen seien »die Juden des Balkans«, heißt es dort, »arbeitsscheues Gesindel« und »träge Südländer«. Vor allem Griechen, die in Deutschland leben, sollten »das Maul halten oder sich verpissen«, fordern Leser von Altermedia. Andere wiederum verweisen darauf, dass Chrysi Avgi eine durchaus ernstzunehmende – weil im Kern nationalsozialistische – Partei sei und dass »wir sie in der Zukunft noch brauchen« – gegen die Türken nämlich, die das Abendland bedrohten. »Echte Nationalisten lassen sich nicht auseinanderdividieren«, heißt es weiter.
Das scheint jedoch eher ein frommer Wunsch zu sein. Denn die Kommentare auf Altermedia spiegeln wider, wo derzeit eine Bruchlinie innerhalb der extremen Rechten verläuft. Während die einen sich vor allem nach hohen Mauern rund um die eigene Scholle zu sehnen scheinen, wollen die anderen durchaus realpolitisch und im Geiste der Neuen Rechten an einer gesamteuropä­ischen, wenn nicht sogar eurasischen politischen Bewegung basteln. Einige von diesen gehen sogar so weit, das von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs besetzte Europa, in dessen Wehrmachts- und SS-Divisionen ja tatsächlich Angehörige etlicher Länder ihren Dienst taten, als eine Art vereintes Europa zu glorifizieren.
In der Gegenwart stehen aber häufig irredentistische und revanchistische Forderungen der gemeinsamen Politik von Nazis verschiedener Nationalitäten im Weg, etwa wenn ungarische und rumänische Nationalisten sich darum zanken, wem denn nun Siebenbürgen gehört, oder wenn deutsche Nazis und »Vertriebene« von den verlorenen »Ostgebieten« träumen, was wiederum polnische und tschechische Nazis nicht sonderlich erfreut. Manchmal sind es jedoch auch Überbleibsel der Vergangenheit, die für Streit sorgen. So forderte Chrysi Avgi bereits 2013, die griechischen Schulden sollten mit ausstehenden deutschen Reparationszahlungen für die Zeit der Besatzung während des Zweiten Weltkriegs verrechnet werden. Wenig überraschend stieß diese Forderung bei deutschen Neonazis nicht eben auf Gegenliebe. Immerhin hatten es Wehrmacht und Waffen-SS doch nur gut gemeint.
Ungeachtet dessen arbeitet man parteipolitisch und bewegungspolitisch gerne zusammen. Besonders hervorgetan haben sich dabei im Laufe der Jahre die inzwischen verbotene Kameradschaft »Freies Netz Süd« (FNS) und Mitglieder der NPD, allen voran der ehemalige Parteivorsitzende und heutige Europa-Abgeordnete Udo Voigt. Da passt es ins Bild, dass Mitglieder – nach Eigenangaben waren es mehr als 20 – der Kleinstpartei »Der III. Weg«, die als Auffangorganisation für das im Juli 2014 verbotene FNS gilt, am vergangenen Wochenende am nationalistischen Imia-Marsch in Athen teilnahmen – Fahnen und Liveticker auf der Internetseite der Partei inklusive. Interessanterweise wurde ein Artikel zum Marsch nahezu wortgleich auf dem Blog des »Freundeskreises Golden Dawn« gespiegelt. Einzig relevanter Unterschied: »Der III. Weg« bezeichnet Chrysi Avgi als »NS-Partei«, der Freundeskreis verzichtet auf diesen Ausdruck.
Die NPD wiederum bejubelte in einer Stellungnahme den griechischen Wahlausgang und frohlockte angesichts der Querfrontregierung von Syriza und Anel, dass »der alte Links-Rechts-Gegensatz in Europa historisch überholt« sei. Den Stimmenanteil von 6,3 Prozent für die »nationale griechische Partei« Chrysi Avgi, die ihre Stellung so weitgehend stabilisieren konnte, wertete die NPD ebenfalls als »besonders erfreulich«.
Auch im Europaparlament kommt es regelmäßig zur Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien. Erst im Dezember besuchte Voigt gemeinsam mit Roberto Fiore von der neofaschistischen Forza Nuova aus Italien inhaftierte Funk­tionäre von Chrysi Avgi im Athener Gefängnis Korydallos. Bereits im September hatte Voigt in Brüssel an einer Mahnwache zugunsten der Inhaftierten teilgenommen. Ein wenig wirkt es so, als hoffte die NPD darauf, der Erfolg der griechischen Nazipartei könnte auf sie abfärben. Immerhin wurde Chrysi Avgi mit 9,39 Prozent bei den Europawahlen 2014 drittstärkste Kraft in Griechenland und erzielte damit landesweit das beste Ergebnis der Parteigeschichte, während die NPD von Krise zu Krise taumelt.
Die deutsche Partei ist mit ihren Wünschen nicht allein in Europa. Ähnlich wie seit Jahren bei Casa Pound in Italien oder in jüngster Zeit beim Rechten Sektor in der Ukraine beflügeln die Erfolge von Chrysi Avgi die Machtphantasien der ex­tremen Rechten überall auf dem Kontinent. Die NPD steht jedoch vor dem nicht unwesentlichen Problem, einerseits die griechischen Bündnispartner nicht vergrätzen zu wollen, andererseits aber dennoch den Nationalchauvinismus und den gegen vermeintlich faule »Südländer« gerichteten Rassismus ihrer Wählerschaft bedienen zu müssen.

So erklärte die NPD die Bundestagswahl 2013 zwar zur »Volksabstimmung« gegen weitere Hilfspakete und forderte auch vor der Europawahl im Jahr darauf wiederholt, Deutschland dürfe nicht »Zahlmeister« und »Melkkuh« Europas sein. Dass die Partei auch vehement gegen einen Schuldenerlass ist, wurde und wird dagegen meist nur am Rande erwähnt. Dann lieber weiter gegen Migrantinnen und Migranten hetzen – da ist man sich wenigstens einig. Es sei denn, sie sind aus Griechenland.