Digitaler Pranger

Früher, als die Piraten noch die Hoffnung – ach was Hoffnung, die Gewissheit – hatten, dass sie bald Regierungspartei, Bundeskanzler, Bundespräsident und ganz allgemein Chef von Deutschland sein würden, waren Wahlen lustiger.
Damals fiel die siegesgewisse Horde unermüdlich jedem, der sie nicht extrem superklasse fand, auf die Nerven (weil, weiß man ja: Leute lassen sich am besten davon überzeugen, ihre Kreuzchen an einer bestimmten Stelle zu machen, wenn man sie pausenlos beleidigt), um dann, wenn die ersten Hochrechnungen zeigten, dass es leider doch nichts war mit ­absoluten Mehrheiten und Pöstchen, in großes Gejammer zu verfallen. Davon, bei den Fernsehsendern in stundenlangen Shitstorms einen eigenen Piraten-Wahlergebnis-Balken einzufordern, ist man mittlerweile ebenso weit entfernt wie von der Drohung, sich im Regierungsfall das Konzept ARD und ZDF vorzunehmen, wenn man nicht umgehend an der Berliner Runde teilnehmen darf (wir erinnern uns: Das ist die Show nach einer Wahl, an der nur im Bundestag vertretene Partei teilnehmen dürfen, was den Piraten klarzumachen Jahre gedauert hat).
Und nun, viele, viele Niederlagen später, gehen die Piraten fast schon stoisch mit ihren Misserfolgen um – wenn man gegenseitiges Beleidigen und Bedrohen als stoisch definieren möchte. Nach der für die orangefarbene Partei katastrophal ausgegangenen Wahl in Hamburg gab es aber immerhin ein Highlight. Heiko Herberg, parlamentarischer Geschäftsführer der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kam via Twitter auf eine Idee, die ganz dem Geist seiner auf Datenschutz spezialisierten Partei entspricht. Er twitterte: »Könnte man eigentlich ’nen Pranger in jedem Wahlbezirk aufstellen, wo alle Nichtwähler aufgelistet werden?«