Verständnis

Zwei Jahre ist es her, da begann der erste deutsche Bischof zu twittern, kurz nach dem Papst selber – und wenn man sich die Kurzbotschaften ansieht, die die Geistlichkeit in den Äther strahlt, dann wünscht man sich mit Martin Mosebach jene seligen Zeiten zurück, in denen die Messe noch auf Latein und dem gemeinen Pöbel unverständlich war. So konnte man sich wenigstens einbilden, da vorne würden etwelche höheren Mysterien verkündet. Nun, da die Offenbarung auf 140 Zeichen zusammengedampft wurde, merkt man: Sehr viel mehr als ein paar Kalendersprüche gibt’s da auch nicht zu holen. Die Kirche war einfach eine Kalenderspruchfirma, die etwas früher als die anderen Erfolg hatte und eventuell unkonventionellere Vertriebswege befürwortete. Anders denn als Tragödie vermag auch der fürs Seelenheil zuständige Twitter-Bischof die Germanwings-Katastrophe nicht zu benennen – es ist derselbe Trost, den auch Spiegel Online bietet, nur aus einer Fantasy-Robe hervorgeraunt. Aber Gleichförmigkeit ist ein Kennzeichen der Twitter-Kommunikation insgesamt – zusammen mit der Zeichenzahl schrumpft auch das Vorderhirn. Wo bei Facebook jeder versucht, nach Möglichkeit seine Individualität und Besonderheit herauszustellen und sich zusammen mit den Freunden abzuschotten, hat man als Twitterer die Pflicht, sich einem der je kurrenten Meinungsströme anzuschließen, mit Blick aufs größtmögliche Publikum. Anders lässt sich nicht erklären, dass der Student, der vor zwei Tagen mit dem Twittern angefangen hat, dies heute schon auf Englisch tut, für den Fall, dass er einmal Gegenstand internationaler Berichterstattung werden sollte. Daneben wirken die auch Muttersprachlern unverständlichen Zeichengebilde, die Claus Kleber seinen Followern anvertraut, liebenswürdig verschroben, ja schon wieder menschlich.