Die Reaktion

Wie reagiert die Redaktion einer Wochenzeitung auf die Nachricht des Todes einer prominenten Persönlichkeit kurz vor Redaktionsschluss? Nachruf für die nächste Nummer organisieren, bis dahin die Leserinnen und Leser mit alten Texten zum Verstorbenen trösten. So haben wir vergangene Woche ein etwas älteres Dossier von Klaus Bitterman (»Beim Lutschen des Brühwürfels«, Jungle World 13/2007) über Günter Grass auf unsere Facebook-Seite ­gepostet. Nicht allen hat es gefallen. »Hätte man nicht mit dem Reposting warten können? Finde ich pietätlos«, schreibt etwa Arno T., der meint, Grass sei »nicht nur der Schreiberling von schlechten antisemitisch durchsetzten Polit-Gedichten oder der spät reumütige Ex-SS-Mann, sondern eben auch eine wichtige Figur im Nachkriegsdeutschland gewesen. ›Die Blechtrommel‹ ist einfach ein gutes Buch.« Nun, welche Bücher gut sind, ist bekanntlich Geschmackssache, über Pietätlosigkeit kann man auch diskutieren. Kommentare dagegen, die gegen den Autor hetzen, ihn persönlich beleidigen oder sogar bedrohen, werden unverzüglich gelöscht, die Verfasser gesperrt. Da braucht auch kein User kommen und sich beschweren, »kritische Kommentare« würden gelöscht. Der Umgang mit sogenannter Israel-Kritik ist schwieriger. Nicht dass wir israelfeindliche Kommentare dulden würden, aber sollten wir alle Posts löschen, die Sätze wie diesen enthalten: »Das Judentum ist eine Religion und Israel ist ein Staat, in dem Menschen verschiedener Religionen und ethnischer Herkunft leben. Insofern ist die Kritik an Israel weder eine Kritik an den Juden, noch eine Kritik an Arabern (…). Sondern es ist eine Kritik an der israelischen Regierung«? Würde nicht dadurch den Eindruck entstehen, »israelkritische« Allgemeinplätze und isrelbezogener Antisemitismus existierten in unseren Kreisen nicht? Dass es nicht so ist, wissen wir und viele unserer Leserinnen und Leser. Dagegenzuhalten ist und bleibt Priorität.