Liegenbleiben!

»Wie kommt man mit einem Trick, einem tagtäglichen neuen Trick, durch den Tag?« fragt sich der Doktor in Thomas Bernhards Stück »Der Ignorant und der Wahnsinnige«, und tatsächlich scheinen sich die Bemühungen der Bewusstseinsindustrie hauptsächlich dahin zu richten. Immer häufiger geht es weniger darum, ein neues Produkt vorzustellen, ein neues Bedürfnis zu wecken, sondern den Konsumenten überhaupt aus den Federn zu kriegen, ihn mit aller Macht in den Wirtschaftskreislauf einzuschleusen, dem er sich mit guten Gründen entzieht. Wie in der Postmoderne Konsum nach und nach die Arbeit ersetzt, so verwandelt sich die Werbung in den Vorarbeiter, den Einpeitscher, die Stechuhr – aber auch in den Kollegen, den Kumpel, der ans Allgemeinmenschliche appelliert. Nicht anders zu erklären ist, wie sich die Versicherungsgruppe Ergo erdreistet, mit dem Satz »Hinfallen, aufstehen, weitermachen« auf sich aufmerksam zu machen. Zunächst ist der Satz geklaut, dem Volksmund entrissen, keine schöpferische Eigenleistung ist zu erkennen – und doch ist er jetzt auf ewig in Besitz von Ergo. Niemand kann fortan einen Niedergeschlagenen mit diesem traurigsten aller Motivationssprüche aufmuntern, ohne dass ihm die Worte schäbig und wertlos vorkommen – Ergo hat ihm effektiv eine Quelle des Trosts gestohlen. Und aus dem Munde Ergos selber verliert der Spruch jegliche Humanität. »Hinfallen, aufstehen, weitermachen«, vom Vorarbeiter vorgebellt, könnte genauso gut einen Todesmarsch annoncieren, wird vom freundlichen Rat, sich nicht von den Verhältnissen brechen zu lassen, zum Gegenteil, zum Befehl, sich auf alle Fälle unterzuordnen. Seit dem Spruch von Pepe-Jeans, »Have you seen Pepe?«, der Sorgen wecken und an Vermisstenanzeigen erinnern sollte, hat man Gemeineres nicht gelesen.