Warten vor den Gittern

Muhammad Ashraf trägt ein weißes, gebügeltes Hemd. In seiner linken Hand hält er einen Plastikbeutel voller Essen und Gegenstände des täglichen Bedarfs. Den will er seinem Neffen bringen. Mit zehn weiteren Besuchern wartet er seit mehr als zwei Stunden auf den offiziellen Besuchstermin im Flüchtlingsgefängnis Amygdaleza bei Athen. Ashrafs Neffe lebte vier Jahre in der Stadt, wie mindestens eine halbe Million weitere unregistrierte Einwanderer. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, half seinem Onkel im Gemüseladen. Doch irgendwann griff ihn die Polizei in der Stadt auf. Seit neun Monaten sitzt er nun in dem Flüchtlingsgefängnis, das auf dem Gelände einer Polizeischule liegt und vergangenes Jahr mit bis zu 1 600 Menschen seine Kapazität um das Dreifache überschritt. »Dabei gibt es keine Probleme mit Leuten wie uns aus Pakistan und Bangladesh, wir können arbeiten«, sagt der Onkel. Er selbst kam vor 21 Jahren nach Griechenland und betreibt einen Gemüsehandel mit drei Angestellten. Alles, was am Monatsende übrigbleibt, schickt der schlanke Mann nach Pakistan, um seine Frau zu unterstützen und die Ausbildung seiner vier Kinder zu finanzieren, die mittlerweile alle einen Schulabschluss haben. Mit seinem Sohn will er im kommenden Jahr in Pakistan eine Firma für erdbebensichere Baukonstruktionen eröffnen. Ob es nicht schwer werde, sein altes Leben hier zurückzulassen? Er lächelt zurückhaltend und sagt, er sei damals nur für seine Kinder gegangen und nun habe er seine Mission erfüllt. Eine größer werdende Zahl von Einwanderern kehrt Griechenland den Rücken, vor allem weil sich das Leben durch die Krise verschlechtert hat. Nach drei Stunden des Wartens nähert sich ein Kleinbus dem Eingangsgitter, alle drängen hin. Muhammad Ashraf dreht sich noch einmal um und lächelt. Dann zeigt er dem Wachposten seine Besuchsbescheinigung und verschwindet mit seinem Plastikbeutel hinter dem Wachturm.