In Abstumpfung

Bei Locrians letztem Album faszinierte schon das Cover: Ein Einkaufswagen steht auf einem Supermarktparkplatz, dichter Nebel hängt vor den Gebäuden und taucht das Bild in eine gespenstische Stimmung. Worum geht es? Konsumkritik im Stile des Zombiegroßmeisters George A. Romero? Der nutzte die Untoten stets als Metapher für den eigentlichen Wahnsinn, unter ganz dünnen Decken, auf der das friedliche Miteinander steht. Locrian gehören zur Riege der neuen, verkopften Musiker aus dem Umfeld von Noise, Ambient und Metal, die ihre düsteren Klangwelten als Realismus verkaufen. Ihre Mixtur aus dronigen Gitarren im Stile der Szenehelden Sunn O))), frostigen Synthesizern und aus der Ferne zu vernehmenden menschlichen Stimmen – meist leidend – klingt nicht mehr nach der Comic-Gewalt des Heavy Metal, sondern als sei sie mitten aus dem Leben gegriffen. Auf Albumlänge hätte man sich mehr Hoffnung wünschen können, auch wenn das Konzept stimmig ist: Die phantastische Gitarre in »An Index of Air« fügt dem Wehklagen neue Facetten hinzu, ebenso das angezogene Tempo im straighten »The Future of Death«. Der Poptheoretiker Mark Fisher schreibt in seinem Essay »Kapitalistischer Realismus ohne Alternative?«, wie die bestehende Ordnung als Unveränderliches begriffen wird. Eine Rolle spielt dabei der Umgang mit Grausamkeit in der Popkultur: Serien wie »Game of Thrones« oder Musikgenres wie Death Metal stellen Gräuel in den Mittelpunkt – aber das Ergebnis ist nicht Widerstand, sondern Abstumpfung.

Locrian: Infinite Dissolution (Relapse/Rough Trade)